Die Zahl der Neuinfektionen in Österreich steigt weiter. Am Freitag meldeten Innen- und Gesundheitsministerium 1.258 neue Fälle in den vergangenen 24 Stunden. Damit wurde der Sieben-Tages-Schnitt an neuen Fällen wieder vierstellig und lag nunmehr bei 1.027. Erstmals seit mehr als zwei Monaten müssen wieder 301 Covid-19-Erkrankte im Spital behandelt werden.

Auch die Zahl der Intensivpatienten stieg wieder, 72 Schwerkranke müssen versorgt werden, um vier mehr als am Vortag. Damit ist die Zahl der Schwerkranken innerhalb einer Woche um 24 gestiegen. Mehr als 300 Patienten im Spital hat es zuletzt am 15. Juni gegeben, damals benötigten 305 Covid-19-Infizierte eine Behandlung im Krankenhaus.

Geringer Anteil an ungeimpften Intensivpatienten

Das Land Steiermark hat am Freitag erstmals Zahlen über den Impfstatus der corona-positiven Intensivpatientinnen und -Patienten bekannt gegeben: Mit Stand Freitag mussten elf Personen mit Covid-19 intensivmedizinisch in einem fondsfinanzierten Krankenhaus der Steiermark betreut werden. Keiner von ihnen ist geimpft, sagte Virologe Bernhard Haas von der KAGes. Von den 33 weiteren corona-positiven Patienten auf Normalstation liege der Anteil der Ungeimpften bei über 80 Prozent.

Auch Wien konkretisierte am Donnerstag den Impfstatus der hospitalisierten an Covid-19-Erkrankten. Von jenen in Intensivbehandlung sind laut einem Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker  75 Prozent völlig ungeimpft. Weitere 6,3 Prozent sind teil-immunisiert. 12,5 Prozent seien zwar formal voll-immunisiert, "aber schwer immunsupprimiert aufgrund anderer Krankheitsbilder", twitterte der Sprecher am Donnerstag. "Somit liegt in Wien eine voll-immunisierte Person im Spital und erhält Intensivbehandlung", schließt er daraus. "Da zeigt sich noch etwas: Diese Person war bereits sehr früh zweitgeimpft, was auf abnehmende Immunantwort wegen des Alters deutet."

Auch anderen Stationen der Wiener Spitäler liege der Anteil der Ungeimpften bei 85,7 Prozent, weitere 5,4 Prozent seien teil-immunisiert. Die Impfung wirke "sogar sehr deutlich", so der Sprecher. Als Voll-Immunisierte definiert die Stadt Personen mit zwei Teilimpfungen und Johnson&Johnson-Geimpfte 21 Tage nach dem zweiten Stich, davor gelten sie als Teilimmunisierte.

Zahlreiche Impfaufrufe

"Man kann sich mit den bisherigen Impfzahlen nicht zufrieden geben", sagte Virologe Haas. Die Impfrate der impfbaren Bevölkerung müsse höher werden: "Das ist ein Akt der Solidarität", gegenüber jenen, die sich nicht impfen lassen können. Der steirische Impfkoordinator Michael Koren warb bei der Videokonferenz am Freitag für die Impfung in der Steiermark, etwa in vier Einkaufszentren, sei das am Samstag mit E-Card, Ausweis und Impfpass möglich, Impfwillige könnten sich vor Ort spontan eine Dosis holen.

Zeitgleich laufen die Vorbereitungen für das Impfen zu Schulbeginn und zu Beginn des neuen Semesters an den Hochschulen an. Koren appellierte weiters besonders an die Gruppe der 45- bis 54-Jährigen. Die sei momentan von allen Altersgruppen in der Steiermark jene, die am "impfmüdesten" sei. Das zeige sich auch bei den Patienten in den Spitälern.

Einen dringenden Impfappell an alle, die noch nicht gegen Sars-CoV-2 immunisiert sind, veröffentlichte auch die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) per Aussendung. "Jeder Mensch, der schwer an COVID-19 erkrankt, ist einer zu viel. Das Risiko lässt sich vermeiden, denn wer sich impfen lässt, ist optimal gegen schwere Krankheitsverläufe geschützt", sagt ÖGARI-Präsident Walter Hasibeder.

In den vergangenen drei Wochen habe sich die Zahl der stationär aufgenommenen Erkrankten mit schwerem Covid-19-Verlauf verdreifacht, jene auf den Intensivstationen verdoppelt: "Das müsste nicht sein. Es liegen inzwischen umfassende Daten aus aller Welt vor, die klar belegen, dass bei Vollimmunisierung gegen Sars-CoV-2 das Risiko eines schweren Verlaufs verschwindend gering ist. Unsere Erfahrungen an den österreichischen Intensivstationen decken sich mit den Studien." Geimpfte Intensivpatientinnen oder -patienten mit Covid-19 seien die absolute Ausnahme, "und es betrifft Menschen, die an angeborenen oder erworbenen Immundefekten leiden."

In der aktuellen Situation sei klar, dass die SARS-CoV-2-Infektionszahlen "weiter steigen werden", sagte der Virologe Andreas Bergthaler am Freitag. Der bisher hilfreiche saisonale Effekt werde abebben. Die große Frage sei, wann der nun "kontinuierliche Trend" seinen Höhepunkt erreicht: "Das ist schwieriger vorherzusehen." Die Schlüsselrolle werden für Bergthaler Informationen für Impfskeptiker einnehmen. Er sei aber "nicht für eine Impfpflicht. Das führt zu mehr Widerstand." Die Impfung sei "zentral und wichtig", werde die Pandemie aber sicher nicht alleine entschärfen. Der Forscher argumentierte mit Aufklärung an jene Personen heranzutreten, die die Impfung bisher verweigern. Außerdem müsse man die Menschen wieder dazu motivieren, sich an bekannte Vorsichtsmaßnahmen, wie Maskentragen oder Abstandhalten zu halten.

Einen Appell, "sich doch impfen zu lassen", richtete der ebenfalls federführend in die Abwasseranalysen eingebundene Forscher Heribert Insam, Leiter der Arbeitsgruppe Mikrobielles Ressourcenmanagement der Universität Innsbruck. "Impfungen sind eine der größten Errungenschaften unserer Wissenschaft", betonte der Mikrobiologe. Die kursierenden Begründungen gegen eine Covid-19-Impfung sind für den Experten "zu wenig". Nur die Impfung helfe "uns wirklich aus der Pandemie heraus".

56,9 Prozent sind vollimmunisiert

Eine am Donnerstag veröffentliche Analyse der Ages zeigt eine Impfeffektivität von 91 Prozent für Österreich. Das bedeutet, dass von 100 vollständig geimpften Personen 91 vor einer symptomatischen Sars-CoV-2 Infektion geschützt wurden. In Wien lag am Donnerstag die Inzidenz der Immunisierten bei 16,6 Corona-Fällen je 100.000 - bei den nicht Geimpften war sie mehr als zwölf Mal höher und betrug 209.

23.977 Impfungen wurden am Donnerstag durchgeführt. Insgesamt haben laut den Daten des E-Impfpasses 5.422.320 Menschen bereits zumindest eine Teilimpfung erhalten: Das sind 60,7 Prozent der Bevölkerung. Exakt 5.084.278 und somit 56,9 Prozent der Österreicher sind bereits voll immunisiert. (mad, apa)