In dieser Woche begann die Staatsanwaltschaft mit den Schlussplädoyers, die Verteidigung wird in zwei Wochen folgen. Den  Angeklagten werden Taten zur Last gelegt, die an Widerwärtigkeit kaum zu übertreffen sind. Sie sollen sich gezielt an Kindern aus den Waisenheimen der staatlichen Kette "Casa Pia" vergangen haben, weil diese keine Angehörigen hatten und daher besonders schutzlos waren. In den staatlichen Heimen habe es jahrzehntelang sexuellen Missbrauch von Kindern und Kinderprostitution gegeben, sagte Staatsanwalt Joao Alibeo. Die Verantwortlichen hätten dies allerdings ignoriert.

Der Pädophilie-Skandal hatte die Bevölkerung in Portugal ähnlich erschüttert, wie dies in Belgien in den 90er Jahren beim Skandal um den Kinderschänder Marc Dutroux der Fall war. Allerdings ist den Portugiesen vier Jahre nach der Eröffnung des Prozesses nicht viel klarer geworden, was in den Heimen wirklich vor sich ging. Wie die Urteile der Richter ausfallen werden, ist ungewiss.

Nur ein Geständnis

Von den sieben Angeklagten ist nur die Hauptfigur Carlos Silvino alias "Bibi" geständig. Der frühere Aufseher und Fahrer der "Casa Pia" soll in mehr als 600 Fällen Buben vergewaltigt oder mit Geld und Geschenken gefügig gemacht haben. Zudem soll der 52-Jährige Prominenten Kinder aus Heimen für Sexorgien "beschafft" und dafür Geld kassiert haben. Zu seiner Entlastung sagte er aus, früher als Heimkind selbst ein Opfer von sexuellem Missbrauch gewesen zu sein.

Zu den restlichen Angeklagten gehören Portugals ehemals beliebtester TV-Entertainer Carlos Cruz, der als "Sr. Televisao" (Mr. TV) bekannt geworden ist, ein Ex-Botschafter, ein Prominenten-Arzt, ein Anwalt, ein Heimleiter und eine Immobilienbesitzerin. Alle sechs bestreiten jedoch die Missbrauchsvorwürfe und beteuerten während des Prozesses immer wieder, die angeblich geschändeten Kinder nie gesehen zu haben. Um dies zu belegen, wurden zahllose Quittungen und Belege vorgelegt, die nachweisen sollen, dass die Beschuldigten nicht dort waren, wo die Kinder missbraucht wurden. Darüber hinaus wollen die Verteidiger zahlreiche Widersprüche in den Aussagen der Opfer gefunden haben.

Zeitweise reichte der Skandal bis in die höchsten Spitzen der Politik. Ehemalige Heimkinder wollten den Ex-Sozialminister Paulo Pedroso, die damalige "Nummer zwei" der Sozialistischen Partei, als einen der Kinderschänder erkannt haben. Der Politiker verbrachte fünf Monate in Untersuchungshaft. Später ließen die Ermittler die Vorwürfe gegen ihn fallen. Die Justiz sprach Pedroso kürzlich eine Entschädigung von 100.000 Euro zu.

In den Ermittlungsakten waren - irrtümlicherweise - auch die Namen des damaligen Staatspräsidenten Jorge Sampaio und des EU-Kommissars Antonio Vitorino aufgetaucht. Die Politiker, die damals zu den beliebtesten in Portugal gehörten, waren in anonymen Schreiben mit dem Skandal in Verbindung gebracht worden. Die Ermittler nahmen die Schriftstücke zu den Akten, obwohl sie diese nach den Vorschriften in den Papierkorb hätten werfen müssen. Der Chefankläger musste sich damals öffentlich entschuldigen.