Wien. Ein Pferd schert aus, eines tanzt aus der Reihe und eines bleibt einfach stehen. Verzeihlich, wenn diese Pferde Teil einer Dressurvorführung eines x-beliebigen Reitstalles sind. Sind sie allerdings Lipizzaner-Hengste und noch dazu jene der Spanischen Hofreitschule, dann bleiben diese Ausrutscher nicht ohne Konsequenzen. So geschehen auf dem Heldenberg im Bezirk Hollabrunn in Niederösterreich, wo die Hofreitschule Anfang Juli eine Galavorführung gab.

Der neu gegründete Verein "Freundeskreis der Spanischen Hofreitschule - Bundesgestüt Piber" nahm diese Patzer zum Anlass, um am Donnerstag vor Journalisten Missstände an der Hofreitschule aufzuzeigen. "Vergleicht man mit einer Vorführung 1993 anlässlich der Wiener Festwochen, dann sieht man den erschreckenden Qualitätsverlust", sagte Vereinssprecher Josef Offenmüller. Und zählte im selben Atemzug die Ursachen auf: Die Hengste seien überbelastet und öfter krank, weil es statt wie früher 45 heute 75 Vorführungen pro Jahr gibt. Außerdem würden heute 110 Pferde von 15 Bereitern ausgebildet, die früher 70 Tiere betreuten.

Weiters bestehe durch die Reduzierung der Zucht im Bundesgestüt Piber in der Steiermark Inzuchtgefahr. Die Möglichkeit, Hengste zu selektieren, schrumpfe. Diesen Punkt belegte Offenmüller mit Zahlen: 31 Fohlen gab es diesen Sommer in Piber, früher seien es 80 gewesen.

"So ein Schwachsinn"

"So viele waren es nie", kontert Elisabeth Gürtler, Generaldirektorin der Hofreitschule, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Vielmehr laufe die Zuchtproduktion besser denn je: 46 Stuten seien derzeit tragend. Auch der Vergleich, dass heute mehr Pferde als früher von derselben Zahl an Bereitern ausgebildet werden, stimme so nicht. Es seien zwar rund 110 Lipizzaner in Wien und im Quartier auf dem Heldenberg eingestellt - ausgebildet würden aber nach wie vor 70. Der Rest besuche die "Volksschule", wie Gürtler sie nennt, in der junge Hengste auf ihre Qualitäten geprüft werden.

Von einem Qualitätsverlust und einer Überbelastung will Gürtler daher nichts wissen: "So ein Schwachsinn, unseren Pferden geht es hervorragend. Bei 75 Vorführungen pro Jahr kommt jedes Pferd zweimal in der Woche dran - das kann man einem trainierten Tier wohl zumuten. Und beim Vergleich mit 1993 wurde bewusst die beste Vorführung, die je stattgefunden hat, mit der allerersten im Viereck auf dem Heldenberg verglichen, wo die Tiere noch nervös waren." Die Pferde kämen regelmäßig auf den Heldenberg, wo es 80 Boxen, 15 Koppeln und Gelände zum Ausreiten gibt. Das Areal gibt es seit 2003, den Ausbau um rund eine Million Euro finanzierten Niederösterreich und der Bund.

Wirtschaftlich gehe es der Hofreitschule immer besser, sagt Gürtler. Angesprochen auf das Defizit von 780.000 Euro im Vorjahr meint sie: "In diesem Jahr kam viel zusammen." Eine Tournee, die 600.000 Euro gebracht hätte, wurde von den USA abgesagt. Dazu kam eine Hustenepidemie unter den Lipizzanern.

"Für heuer hoffen wir, kein Defizit zu machen", so Gürtler. Die Zuchtförderung von 780.000 Euro einkalkuliert, die die Hofreitschule seit 2009 erhält. Weitere Subventionen vonseiten des Landwirtschaftsministeriums, in dem sie ressortiert, oder der Stadt Wien gibt es nicht. Überdies wurde sie 2001 aus dem Bundesbudget ausgegliedert.

Um das Subventionierungsmodell völlig neu aufrollen zu können, fordert der Verein nun, dass die Hofreitschule auf das Kulturministerium übertragen wird. Dieses zeigt sich interessiert. "Die Hofreitschule würde gut in die Kunstmeile der Wiener Innenstadt hineinpassen", heißt es. Zudem war Kulturministerin Claudia Schmied einst Österreichs jüngste geprüfte Reitlehrerin. Das Landwirtschaftsministerium will sich dazu nicht äußern.

Oberbereiter als Leiter

Der Verein fordert jedenfalls auch, dass Reitschule und Gestüt in das Weltkulturerbe aufgenommen werden. Derzeit befindet sich die "Klassische Reitkunst" lediglich in der Liste des immateriellen Kulturerbes, damit das Wissen um diese von den Oberbereitern stets weitergegeben wird. Laut Verein sollten künftig die Oberbereiter die Hofreitschule in allen Bereichen bis auf die kommerziellen leiten - und zwei vom Dienst freigestellte Bereiter wieder eingestellt werden. Der Kommentar Gürtlers dazu: "Der Verein ist eine Gruppierung rund um diese zwei Bereiter. Er ist zum Scheitern verurteilt."