Accra/Wien. Vor zehn Jahren befand sich in Ghanas Hauptstadt Accra ein grüner Landstrich, auf dem Kühe weideten. Kühe findet man auch heute noch im Außenbezirk Agbogbloshie, aber nun knabbern sie statt an Gras an Kabeln von ausrangierten Fernsehern. Und der Fluss, der durch die Gegend fließt, gibt keinen Fisch mehr her. Er ist nur noch eine schwarze Brühe, in der alte Kühlschränke und Computer treiben. "Es ist ein apokalyptisches Szenario", berichtet die Pressesprecherin der entwicklungspolitischen NGO Südwind, Christina Schröder.

Der Grund für die Verschmutzung: Ghana wurde in den vergangenen Jahren zu einem der größten Abnehmer von Elektroschrott aus den wohlhabenden Ländern, etwa aus den USA und Deutschland, aber auch aus Österreich. Und in Agbogbloshie befindet sich die größte Müllhalde dafür. Die Konsequenzen sind verheerend, "für die Umwelt und für die Gesundheit der Menschen", betont Mike Anane, ein Journalist und Umweltaktivist aus Ghana, der sich derzeit auf Einladung von Südwind in Wien befindet. "Kinder berichten mir, dass sie nicht mehr genug Luft bekommen, um Fußball zu spielen, oder dass sie ständig Kopfschmerzen haben."

Schuften mitten im Gift


Denn die Armut treibt die Anwohner, darunter hunderte Kinder, auf die Müllhalde. Sie durchstöbern die Geräte nach Materialien, die noch verwertet und deshalb verkauft werden können. Dabei zerschlagen sie die Elektrogeräte mit Steinen und verbrennen nachher die Ummantelungen, um zum Beispiel an Kupferkabel heranzukommen. Dadurch setzen sie sich aber dem Dampf von Plastik und einer Mixtur von giftigen Metallen, etwa Blei oder Kadmium, aus. Die Folgen sind unter anderem Krebs- und Atemerkrankungen, oder dass das Gehirn und die Nervenbahnen bei Kindern angegriffen werden, die sich erst im Volksschulalter befinden und gerade heranwachsen. Zudem verschmutzt der giftige Rauch die Luft der gesamten Umgebung.

Eigentlich dürfte der Elektromüll gar nicht in Afrika landen. Die Basler Konvention, ein internationales Übereinkommen, verbietet den Export von gefährlichem Abfall in Entwicklungsländer. Allerdings haben die USA im Gegensatz zu den Ländern der EU das Abkommen nie ratifiziert.

Doch das Verbot lässt sich ohnehin umgehen. Die abgewrackten Elektrogüter werden einfach als Gebrauchtwaren deklariert. In Ghana angekommen, stellt sich heraus, dass rund 80 Prozent der Elektronikgeräte nicht mehr zu gebrauchen sind, berichtet Anane. Auch Geräte, die etwa an Spitäler oder Schulen gespendet werden, können oft nicht mehr verwendet werden. Der Müll landet dann an Orten wie Agbogbloshie.

Wie viel Elektroschrott in Ghana ankommt, lässt sich nur schätzen, aber es handelt sich um Tonnen. Allein in der EU fallen laut Europäischer Kommission jährlich geschätzte 8,7 Millionen Tonnen Elektromüll an und große Teile davon werden nicht ordnungsgemäß entsorgt. Gerade in der Zeit um Weihnachten, wenn im Westen das große Wegwerfen stattfindet, wird das westafrikanische Land mit Schrott überflutet. Ghana wurde dabei Opfer seines Aufschwungs, berichtet Anane, der bereits von der UNO für sein Umweltengagement ausgezeichnet wurde. Weil das Land ein immer wichtigeres Drehkreuz für Güter aus dem Westen wird, lässt sich der Elektromüll beim Export nach Ghana leichter verbergen.

Europäer profitieren


"Meinen Untersuchungen zufolge profitieren davon vor allem die Recyclingunternehmen in Europa", sagt Anane, der seit acht Jahren den Weg des Elektroabfalls verfolgt. "Die Firmen sammeln das Geld für die abgelieferten Geräte ein, doch entsorgen sie diese nicht, sondern schicken sie nach Afrika." Ghana hingegen macht "überhaupt keinen Profit damit. Das Land muss die Umweltverschmutzung tragen."

Anane fordert daher schärfere Kontrollen in den europäischen Häfen, ob elektronischer Abfall ausgeführt wird. Zudem sollten die Hersteller von der Produktion bis zur Verschrottung für ihre Elektrowaren verantwortlich sein. Die Regierung in Ghana beschwere sich zwar bei der EU über den Elektromüll. "Doch sie sollte Schiffe, die Elektroschrott geladen haben, einfach zurückschicken", sagt Anane.