Tokio. Anfang November, also keine acht Monate nach dem Super-GAU in Fukushima, ist in Japan erstmals wieder ein vorübergehend heruntergefahrener Atomreaktor ans Netz gegangen. Trotz vieler Beschwerden der Bevölkerung gaben der Bürgermeister von Genkai und der Gouverneur der zuständigen Präfektur schließlich grünes Licht.

Ist die Atomlobby also wieder auf dem besten Weg, Japan in den Griff zu bekommen? Eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der Atomenergie gibt es jedenfalls noch nicht. Im Frühling hatte der damalige Premier Naoto Kan noch einen schrittweisen Atomausstieg angedeutet. Sein Nachfolger und Parteikollege Yoshihiko Noda will sich in der Atomfrage nicht festlegen. Erst im kommenden Sommer will die Regierung ein Konzept für die Neuausrichtung der Energiepolitik vorlegen. Bis zur Fukushima-Katastrophe hatte Japan auf den Ausbau der Atomkraft von damals 30 auf 50 Prozent gesetzt, um seine Klimaschutzziele zu erreichen. Dafür sollten bis 2030 mindestens 14 neue Reaktoren gebaut werden. Doch seit Fukushima gibt es keinen nationalen Konsens mehr. Der AKW-Ausbau liegt auf Eis. Vor dem Atomunfall waren die Atomkraftgegner noch eine verschwindend kleine Minderheit. Nachdem gut 80.000 Menschen ihre zum Teil hochgradig verstrahlte Heimat verlassen mussten, sprechen sich in Umfragen gut 70 Prozent aller Japaner gegen die Atomkraft aus.

"Verzicht ist keine Lösung"


Jetzt entscheiden die Lokalregierungen, ob das Land im Frühling vorerst atomstromfrei sein wird. Denn in Japan müssen Atomreaktoren in regelmäßigen Abständen für Routinekontrollen vom Netz genommen werden. Bevor sie wieder hochgefahren werden dürfen, müssen die Städte und Präfekturen, in denen die Reaktoren stehen, zustimmen. Bisher war dies eine reine Formsache, doch seit der Atomkatastrophe wird die Betriebserlaubnis verweigert. Um die Bevölkerung zu beruhigen und einen Totalausfall aller AKW mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die Wirtschaft zu verhindern, hat die Regierung allen zu Routinekontrollen abgeschalteten Atomreaktoren Stresstests verordnet. Momentan sind nur noch 11 der 54 Reaktoren am Netz. Und im Mai muss der letzte Reaktor zur Wartung heruntergefahren werden.

Ohne den Atomstrom drohen Engpässe, warnen Experten. Die Erfahrungen mit den Stromsparbemühungen in diesem Sommer seien zwar ermutigend, doch ließe sich diese nationale Anstrengung nicht so leicht wiederholen, glaubt Shigeru Suehiro vom "Institute of Energy Economics". Um 15 Prozent hatten die Großabnehmer auf Regierungsanweisung ihren Verbrauch drosseln müssen. Fabriken setzten Wochenendschichten ein, um ihren Verbrauch in Spitzenzeiten zu senken, überfüllte Pendlerzüge fuhren trotz Hitze ohne Klimaanlage und in vielen Büros war nur die Hälfte der Beleuchtung in Betrieb.

Verzicht sei allerdings keine Dauerlösung, sagt Suehiro. Vielmehr müssten stromsparende Technologien gefördert werden, dann gebe es noch erhebliches Sparpotenzial. "Wenn wir alle Neonröhren durch LED-Lampen ersetzen würden, bräuchten wir neun Prozent weniger Strom", rechnet Suehiro vor. Wegen der hohen Kosten für die Umstellung würde dieser Prozess aber mindestens zehn Jahre dauern.