Kapstadt. Das Brot wächst am Baum. Eine 15 Hektar große Plantage des "Wunderbaums" mit dem botanischen Namen Moringa oleifera hat im kleinen Dorf Tooseng in der armen südafrikanischen Provinz Limpopo das Leben verändert. Mavis Mathabatha, einst Lehrerin in Tooseng, hat in den letzten drei Jahren hart gearbeitet, um die Plantage anzulegen. "Ich wollte nicht nur in meinem Dorf, sondern auch in meiner Provinz und im gesamten Land etwas bewegen", erklärt sie. Ernährungswissenschafter haben entdeckt, dass die Blätter des Moringa so viel Calcium wie vier Gläser Milch, das Vitamin C von sieben Orangen, dreimal so viel Eisen wie Spinat, viermal so viel Vitamin A wie eine Karotte und doppelt so viel Protein wie Milch enthalten. Der Baum ist praktisch ein kleiner Supermarkt.

2009 pflanzte Mathabatha die ersten jungen Bäume und begann, Moringa-Blätter zu ernten und zu mahlen. Das Pulver wird dann Mahlzeiten beigemischt, die im Kinderzentrum des Dorfes täglich an mehr als 400 von Hunger und Armut betroffene Buben und Mädchen ausgeteilt werden. Das Zentrum versorgt Kinder, deren Eltern monatlich weniger als 200 Euro verdienen. Das sind fast alle Familien in Tooseng. "Man konnte den Unterschied fast sofort sehen", sagt Elizabeth Serogole, die Leiterin des Zentrums. "Der Gesundheitszustand der Kinder hat sich in kürzester Zeit verbessert." Zeichen der Mangel- und Unterernährung wie aufgeblähte Bäuche und offene Wunden seien in nur wenigen Wochen verschwunden. Die Kinder hätten nun stärkere Immunsysteme und mehr Energie. "Auch in der Schule können sie sich jetzt viel besser konzentrieren. Und das nur von einem Teelöffel Moringa-Pulver pro Tag."

Ein Baum für Dürregebiete


Auch Samson Tesfay, Ernährungswissenschafter an der Universität von KwaZulu-Natal, ist von den nährstoffreichen und heilenden Eigenschaften des Moringa angetan. "Die Pflanze ist einzigartig", sagt Tesfay. "Sie hat medizinische, therapeutische, nahrhafte sowie praktische Eigenschaften." In Nordindien, wo der Baum ursprünglich beheimatet ist, greift die ayurvedische Medizin schon seit langem auf Moringa-Produkte zurück. Mehr als 300 Krankheiten soll der Baum heilen können, gesichert ist die positive Wirkung bei Hautentzündungen, Schwellungen, Bluthochdruck und Blutzucker. Doch nicht nur die Blätter des Moringa sind von Nutzen. "Die Samen filtern rund 98 Prozent aller Schadstoffe und Mikroben aus kontaminiertem Wasser", erklärt Tesfay. Dies ist besonders in armen, ländlichen Gebieten hilfreich, wo Zugang zu sauberem Wasser oft nicht gewährleistet ist.

Die schlanke Pflanze braucht selbst wenig Wasser, wächst schnell und kann innerhalb eines Jahres eine Höhe von drei Metern erreichen. "Der Baum kann unter relativ ungünstigen Bedingungen wachsen und ohne teure, komplizierte landwirtschaftliche Methoden angebaut werden", zeigt sich Tesfay begeistert. Moringa könne daher weitflächig zur Bekämpfung von Mangelernährung eingesetzt werden. Denn die Bäume können in so gut wie allen subtropischen Gebieten gedeihen - in vielen Teilen Afrikas, Zentral- und Südamerika, dem Mittleren Osten sowie Südostasien. Genau dort, wo Dürren, Armut und Hunger herrschen.

Mathabatha hat in den vergangenen Jahren ihre Plantage Stück für Stück erweitert. Nachdem sie über den vielfältigen Nutzen des Baums erfuhr, bewarb sie sich um Unterstützung durch die regionale Hilfsorganisation Southern Africa Trust. Heute ist sie die stolze Besitzerin von 13.000 Moringa-Bäumen. Doch Mathabatha reicht ihr persönlicher Erfolg nicht aus. Sie will den Nutzen des Moringa mit anderen teilen und hat daher mehr als 6000 Setzlinge an arme Familien in und um Tooseng verteilt. Nun steht in jedem Garten der Gemeinde mindestens einer der "Wunderbäume". Und auch in die Nachbarländer Botswana, Swaziland und Lesotho wird bereits exportiert.