Zürich. Nach dem Busunglück mit 28 Toten in der Schweiz gehen die Behörden mehreren möglichen Ursachen nach. Es könnte sich um ein technisches Problem, ein Gesundheitsproblem beim Fahrer oder menschliches Versagen gehandelt haben, sagte Untersuchungsrichter Olivier Elsig. Belgiens Ministerpräsident Elio Di Rupo zeigte sich bei einem Besuch in der Schweiz erschüttert: "Wenn man einen Angehörigen verliert, ist es dramatisch, wenn man ein Kind verliert gibt es keine Worte." Unter den niederländischen und belgischen Opfern sind nach Polizeiangaben 22 Kinder im Alter von elf und zwölf Jahren, deren Reisebus am Dienstagabend im Kanton Wallis in einem Autobahntunnel gegen eine Wand raste.
Experten wollen das völlig zerstörte Bus-Wrack untersuchen, um nähere Erkenntnisse zum Unfallhergang zu erhalten. Unterdessen bangen die Angehörigen um das Leben der schwer verletzten Schulkinder aus Belgien. Nach Berichten der Nachrichtenagentur Belga wurden inzwischen alle Verletzten identifiziert.
Sieben der 24 verletzten Kinder stammen aus einer Grundschule in Lommel an der niederländischen Grenze, wie Belga in der Nacht zum Donnerstag berichtete. Die anderen 17 kommen aus Heverlee bei Brüssel. In Löwen gedachten am Mittwochabend rund tausend Menschen in einem Gedenkgottesdienst der Opfer.
Unter den Toten sind der Polizei zufolge sieben Niederländer und 21 Belgier, unter den 24 Verletzten eine Person aus Deutschland. Drei Verletzte lagen im Koma. Das Schweizer Parlament gedachte der Toten mit einer Schweigeminute. Bundeskanzlerin Angela Merkel drückte den Angehörigen ihr Beileid aus.
200 Einsatzkräfte vor Ort
Das Unglück ereignete sich am Dienstagabend gegen 21.15 Uhr auf der schweizerischen Autobahn A 9. Nach den bisherigen Ermittlungen fuhr der Bus auf der rechten Seite gegen den Bordstein, wurde gegen die Tunnelwand geschleudert und prallte dann frontal in eine Nothaltebucht. Das Vorderteil des Fahrzeugs wurde durch die Wucht des Aufpralls völlig zerstört. Viele Insassen waren in dem Bus eingeklemmt und mussten aus den Trümmern befreit werden. Die Verletzten wurden zum Teil in Hubschraubern ins Krankenhaus geflogen. Bis zu 200 Polizisten, Feuerwehrleute, Ärzte und Sanitäter waren im Einsatz.
Die Reisegruppe stammte aus den Ortschaften Lommel und Heverlee in Flandern. "Wir empfinden nur tiefe Trauer", sagte der Geistliche Dik De Gendt. "Einige Eltern wissen, dass ihre Kinder überlebt haben. Für andere gibt es keine Nachrichten", sagte ein Polizeisprecher.
Keine Auffälligkeiten
Der verunglückte Bus stammte aus dem belgischen Landesteil Flandern und gehörte dem belgischen Unternehmen Toptours. In der Branche habe Toptours einen guten Ruf, sagte der belgische Verkehrsminister Melchior Wathleler. Der Fahrer sei vorschriftsgemäß einen Tag vor der Fahrt in dem Ferienort angekommen. Der Bus habe vor fünf Monaten einen technischen Test bestanden. Unfallexperte Johannes Hübner vom Internationalen Bustouristik Verband (RDA) sagte Reuters über das Unternehmen: "Die haben keine Lenkzeitüberschreitungen oder Probleme mit Alkohol." Ermittlungsrichter Elsig schloss mehrere mögliche Ursachen für das Unglück aus: Der Bus sei weder mit einem Auto zusammengestoßen und noch zu schnell gefahren. Auch sei die Fahrbahn nicht beschädigt gewesen.
Für jedes Opfer des tragischen Schweizer Busunfalls sollen nun mindestens 220.000 Euro an Entschädigung fällig werden. Das berichtete die Nachrichtenagentur Belga. Die Kosten übernehme der Versicherer des in den Unfall verwickelten Busunternehmens, die belgische Gesellschaft AG Insurance. Die Agentur berief sich auf das Mitglied des belgischen Versicherungsdachverbandes Assuralia, Wauthier Robyns de Schneidauer. Ob die Summe von 220.000 Euro nur im Todesfall gezahlt werden soll, blieb in der Meldung unklar. Die Versicherung stehe bereits mit den beiden betroffenen Schulen im Kontakt.
Das bislang schwerste Busunglück in der Schweiz hatte sich am 12. September 1982 ereignet: Dabei war ein mit deutschen Touristen besetzter Reisebus auf einem Bahnübergang in der Nähe von Zürich von einem Regionalzug erfasst worden. Alle 39 Insassen kamen ums Leben. 2005 wurden bei einem Unfall auf der Nordseite des Grossen St. Bernhard 13 Insassen getötet und 15 verletzt.