Wien. Die Kommission, die die Geschichte des ehemaligen Wiener Kinderheims im Schloss Wilhelminenberg aufarbeiten soll, hat inzwischen mit 52 ehemaligen Heimkindern gesprochen. Auch ein Lokalaugenschein am Ort des Geschehens fand statt, wie aus dem ersten Zwischenbericht hervorgeht, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Das Gremium unter dem Vorsitz von Richterin Barbara Helige wurde eingerichtet, um zu prüfen, ob in dem Heim systematischer Missbrauch stattgefunden hat.

Die Kommission hat ihre Arbeit Anfang Dezember des Vorjahres aufgenommen. Untersucht wird der Zeitraum von 1948 bis zur Schließung der Anstalt im Jahr 1977. Im Raum stehen schwere Vorwürfe, wonach Kinder am Wilhelminenberg sexueller Gewalt und sexuellem Missbrauch, Vergewaltigung und Zwangsprostitution ausgesetzt waren. Auch Berichten von schweren Körperverletzungen, psychischer Folter oder anderen Gewalttaten wird nachgegangen.

Die Kommission hat - gemeinsam mit einem Team von Experten - bereits zahlreiche Interviews geführt. Wie Barbara Helige im Gespräch mit der APA berichtete, wurden bis dato 52 ehemalige Bewohner befragt. Weitere Gespräche sind in Vorbereitung.

Auch sechs Erzieher standen Rede und Antwort, genauso wie frühere Nachbarn und andere Zeitzeugen. Insgesamt liegen laut Bericht 180 Stunden Aufnahmen von insgesamt 62 Interviews vor. Weiter 70 sind bis Sommer in Planung.

Recherche schwierig, da Akten vernichtet
Die Betroffenen hätten sich selbst gemeldet, erzählte Helige. Aktiv würden diese nicht kontaktiert, da man deren Privatsphäre schützen wolle. "Denn oft wissen nicht einmal die Lebensgefährten von der Geschichte", so Helige. Der Wunsch über die Erlebnisse zu sprechen, sei bei vielen vorhanden: "Bei denen, die sich gemeldet haben, gab es das echte Bedürfnis, mit uns zu reden." Die beiden Frauen, die in Zeitungsinterviews von ihrem Schicksal berichtet hatten, haben die Kommission allerdings noch nicht kontaktiert.

Über die Inhalte der Gespräche werde vor dem Abschluss der Arbeit noch keine Auskunft gegeben, betonte die Vorsitzende. Neben den Interviews wurden auch weitere Recherchen veranlasst. Laut Kommission ist die Quellenlage jedoch nicht optimal, die Zeit vor 1967 schlecht dokumentiert - was auch mit dem Umstand zusammenhängen dürfte, dass Akten vernichtet worden sind, wie vermutet wird.

Zeithistoriker sichten nun die noch vorhandenen Akten, wobei rund zweihundert verschnürte Bündel aufgearbeitet werden. Diese sind zum Teil seit mehr als vierzig Jahren nicht mehr geöffnet worden. Laut Kommission fanden sich neben Verwaltungsangelegenheiten auch personenbezogene Dokumente in den Papieren. Zudem werden auch Unterlagen, die von den ehemaligen Heimkindern zur Verfügung gestellt wurden, ausgewertet. Am 17. Februar 2012 unternahmen Mitglieder der Kommission auch eine Begehung des ehemaligen Kinderheims (und nunmehrigen Hotels, Anm.). Damit sollte eine bessere Vorstellung vom Leben dort ermöglicht werden, hieß es.

Die Kommission ersucht jedenfalls weitere Zeitzeugen, sich zu melden. Die Interviews, so wird betont, werden auf Wunsch vertraulich, in der Wohnung der Personen oder im Büro der Kommission durchgeführt. Trotz der nicht immer optimalen Quellenlage zeigt sich das Gremium laut eigenen Angaben optimistisch, nach Abschluss der Untersuchung einen "inhaltlich fundierten Bericht" abliefern zu können. Der Arbeit der Kommission soll voraussichtlich Ende des Jahres abgeschlossen sein.

Der elf Seiten umfassende Zwischenbericht ist unter www.kommission-wilhelminenberg.at im Internet abrufbar.