

Die Palette der Gewalt reicht von Raubüberfällen bis hin zu Vergewaltigungen - Letzteres auch an Männern, die laut Opferschutzorganisation "Weißer Ring" zumeist Täterinnen aus dem osteuropäischen Raum zum Opfer fallen. Laut Notaufnahme am Wiener AKH betreffen die Fälle aber vorwiegend Jugendliche und junge Frauen. "Sie erinnern sich an nichts, klagen über einen Filmriss und stehen unter Schock", heißt es. Am Tag nach der Verabreichung von K.o.-Tropfen leiden sie außerdem oft unter massiven körperlichen Beschwerden wie Erbrechen, Schwindel oder Kopfschmerzen, die allerdings in keiner Relation zur konsumierten Alkoholmenge stehen. Vielen wird laut AKH erst anhand ihrer Verletzungen wie Blutergüssen, Schmerzen im Unterleib oder Spermaspuren klar, was mit ihnen passiert sein muss.
Dass Opfer danach Anzeige erstatten, passiert so gut wie nie. Selbst dann nicht, wenn ein Mediziner bestätigt, dass sie vergewaltigt worden sind. Warum nicht? "Weil das Thema noch immer sehr schambesetzt ist", meint Sozialpädagogin Zagler. "Viele wissen auch nicht, was genau und wie viel sie getrunken haben und fürchten Vorwürfe deswegen."
Wenige Anzeigen,
aber hohe Dunkelziffer
Die offiziellen Zahlen über strafrechtliche Deliktsfälle zeichnen daher ein verschwindend kleines Bild der tatsächlichen Opfer von K.o.-Tropfen, so Zagler - die Dunkelziffer sei enorm hoch. Die jüngsten konkreten Daten stammen zudem aus dem Jahr 2010, als der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Johann Maier eine parlamentarische Anfrage zu dem Thema stellte. Demnach registrierte das Innenministerium 2010 insgesamt 62 angezeigte Fälle, 10 davon betrafen Vergewaltigungen. 41 der 62 Anzeigen kamen aus Wien, gefolgt von der Steiermark (9), Salzburg (6) und Niederösterreich (5). In Tirol kam es diesbezüglich zu einer einzigen Anzeige, in den übrigen Bundesländern meldete sich überhaupt niemand. Zum Vergleich: 2005 wurden insgesamt 51 Fälle angezeigt, einen Höhepunkt gab es 2007 mit 102 Anzeigen.
Verurteilungen sind naturgemäß noch seltener. Die jüngste betrifft einen Fall in der Stadt Salzburg, wo ein ehemaliger Betreiber eines Lokals wegen Vergewaltigung einer 19-jährigen Schülerin zu einer teilbedingten Haftstrafe von 21 Monaten, 7 davon bedingt, verurteilt wurde. Der 43-Jährige soll vor der Tat heimlich K.o.-Tropfen in ein Getränk der Salzburgerin gemischt haben. Das Mädchen, das nahezu bewusstlos ins Spital eingeliefert worden war, konnte sich an den Vorfall zwar nicht erinnern - in seinem Urin wurde allerdings "Lorazepam", das in K.o.-Tropfen vorkommen kann, festgestellt. Todesfälle durch K.o.-Tropfen sind in Österreich bisher keine bekannt - in Deutschland starben allerdings schon drei Mädchen, nachdem ihnen eine zu hohe Dosis ins Getränk gemixt worden war.
Und selbst wenn der Körper eines Mädchens nach der Verabreichung von K.o.-Tropfen keine offensichtlichen Folgeschäden davonträgt: Der Schock und der seelische Schmerz sitzen tief und können zumeist nur durch eine Therapie gelindert werden. Am meisten leiden Betroffene darunter, nicht zu wissen, in welcher Form ihnen Gewalt zugefügt wurde - und wer der Täter war.