Graz/Wien.

Gefühlte fünf Minuten lang ist eine Ampel oft rot. In Wahrheit sind es durchschnittlich rund 30 Sekunden. - © Andreas Pessenlehner
Gefühlte fünf Minuten lang ist eine Ampel oft rot. In Wahrheit sind es durchschnittlich rund 30 Sekunden. - © Andreas Pessenlehner
Sportliche junge Menschen schaffen es vielleicht, innerhalb einer Grünphase über einen Fußgängerübergang zu hetzen, zum Beispiel über den Wiener Gürtel. Ältere Frauen, Mütter mit kleinen Kindern an der Hand oder Gehbehinderte allerdings kommen oft dann erst am anderen Gehsteig an, wenn die Ampel schon längst wieder auf Rot geschaltet hat. "Es kann doch nicht sein, dass man Ampeln plant, ohne die Bevölkerung zu fragen", meint dazu der Ziviltechniker für Bauwesen Georg Kriebernegg von der Ingenieurgemeinschaft Kaufmann-Kriebernegg.

Sprach’s und rief das vom Verkehrsministerium geförderte Projekt "TrafficCheck" ins Leben, das im Vorjahr den Mobilitätspreis des Verkehrsclubs Österreich gewonnen hat und dessen erste Testphase für eine ausgewählte Zielgruppe Ende Oktober in Graz starten soll. Zuvor wird das Projekt auf dem Technik-Weltkongress "Interactive Tabletops and Surfaces" von 22. bis 26. Oktober in Wien vorgestellt. An der rund 300.000 Euro teuren Entwicklung des Prototypen war unter anderem der Fachbereich für Verkehrsplanung der Technischen Universität Wien beteiligt.

"Das Projekt ist für Smartphones konzipiert, funktioniert aber auch über eine Online-Feedback-Plattform von zu Hause aus: Wer eine unsichere Ampelschaltung entdeckt, öffnet die ,TrafficCheck‘-Webseite und wird sofort - sofern er es von unterwegs aus macht - über die GPS-Daten geortet. Eine Karte erscheint, auf der er eine Bewertung für die problematische Kreuzung abgeben kann", präzisiert Kriebernegg. Weitere Details, etwa ob man zu Fuß, mit dem Rad oder Auto unterwegs ist, würden ebenfalls abgefragt. "Die Bewertung wird umgehend an die zuständige Stelle weitergeleitet: In Graz ist das das Straßenamt, in Wien die MA33."

"Nicht jeder kann seine eigene Ampel schalten"


In Wien gibt es zwar bereits das "Lichttelefon", eine zentrale Servicestelle für Fragen und Anregungen zur öffentlichen Beleuchtung, zu Ampeln und öffentlichen Uhren. Der Vorteil von "TrafficCheck" ist aber laut Kriebernegg, dass die Anwendung über das Smartphone die Bewertung einfacher mache und diese zudem strukturiert weitergeleitet werde. "Die Zuständigen können ebenfalls auf die Plattform zugreifen und sehen sofort, bei welchen Ampeln es die meisten Beschwerden gibt", so der Projektleiter.

Die schnellste Lösung sei, dass sie vom Arbeitsplatz aus etwa eine Grünphase um fünf Sekunden verlängern. Liegen bauliche Probleme der Kreuzungsmisere zugrunde, könnten diese bei der nächsten Bauverhandlung besprochen werden. "Freilich kann nicht jeder seine eigene Ampel schalten", räumt Kriebernegg ein - ein Interessenausgleich könne aber sehr wohl geschaffen werden.

Die Grazer Stadtverwaltung will nach der Testphase und etwaigen Verbesserungen eine Informationskampagne starten, um "TrafficCheck" im Laufe des nächsten Jahres online zu stellen. In Wien ist man etwas zurückhaltender. "Wir sind hier noch am Überlegen, wie man das Grazer Projekt in einer Großstadt wie Wien umsetzen kann", heißt es vonseiten der MA33 (Öffentliche Beleuchtung).

Verkehrsexperte Hermann Knoflacher bewertet das Projekt noch kritischer: "Das sind Hirngespinste, das kann in der Praxis nicht funktionieren. Wer meldet sich denn auf der Plattform? Jeder, der an der Ampel steht und sich gerade aufregt, weil sie rot ist. Daran ist aber nicht die Ampel schuld." Knoflacher fürchtet zudem, "dass die Plattform Missbrauch Tür und Tor öffnet". Selbst wenn es ein Einlogg-System gäbe, würde es überwunden werden. Das Personal der MA33 müsste dennoch jede Anfrage, die ehrlich gemeinten Beschwerden inklusive, behandeln - und wäre nach kürzester Zeit überlastet. "Sie könnten keine anderen Dinge mehr machen, die Arbeit würde sich aufstauen" - wie die Autos im Morgenverkehr vor einer roten Ampel.