Washington/Wien. Es gehört Mut dazu, in diesen Tagen vor globaler Erwärmung zu warnen. Der Ex-Weltbank-Chefökonom Nicholas Stern hat es getan. Er warnt  vor noch drastischeren Folgen des Klimawandels als bisher befürchtet. Ohne Eindämmung der CO2-Emissionen liege die Wahrscheinlichkeit für einen Temperaturanstieg von fünf Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit binnen eines Jahrhunderts bei 50 Prozent, sagte Stern am Dienstag (Ortszeit) vor dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. Eine derartige Erwärmung habe es seit 30 Millionen Jahren nicht gegeben. "Das ist ein radikaler Wandel jenseits der menschlichen Erfahrungen."

Dennoch, wenn es April ist und in der Wiener Innenstadt schneit, sind Prognosen wie diese kaum zu glauben. Im Internet kursieren europaweit Morddrohungen gegen eine gewisse "Frau Holle". Doch die Wetterkapriolen sind aus der Sicht der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) eher bedeutungslos: "In Mitteleuropa kommt der Frühling früher", werden sie morgen, Donnerstag, beim 14. Österreichischen Klimatag in Wien berichten. Der Titel für den Vortrag sei schon seit Längerem geplant und das Ergebnis langjähriger Beobachtungen, erklärte Elisabeth Koch, die Leiterin der Fachabteilung Klimatologie von der ZAMG, im Gespräch mit der APA.

Beständiges Vorrücken des Frühlings
Der Trend sei nun einmal, dass seit Mitte der 1980er-Jahre der Frühling im Schnitt um etwa fünf Tage pro zehn Jahre früher kommt. Vor allem bei Ereignissen, die Ende April und Anfang Mai stattfinden, wie die Flieder- und Rosskastanienblüte, zeigt sich das Vorrücken des Frühlings sehr beständig, so Koch.

Das heurige Wetter sei eine Schwankung entgegen dem Trend: "Es ist in unserer Klimazone einfach so, dass die Jahr-für-Jahr-Schwankungen sehr groß sind", sagte sie. Deshalb müsse man sich sehr lange Zeiträume anschauen, um einen Trend feststellen zu können.

Es gäbe Studien, die darauf hindeuten, dass die jeweiligen Wetterlagen beständiger würden. "Wir haben sehr lange Hitze- und Kälteperioden und sehr lange Trocken- und Niederschlagsperioden", betonte Koch. Für die heimische Pflanzenwelt sei das aktuelle Wetter kein Problem. "Spätfröste wie zum Beispiel voriges Jahr Mitte Mai sind da wesentlich grimmiger." Nicht nur die Obstbäume, sogar Kartoffeln, Zuckerrüben und Mais hätten damals Schaden gelitten.

Höhere Temperaturen nächste Woche
Zumindest wettermäßig sollte der Frühling Mitte nächster Woche kommen, so Koch. Am 9. oder 10. April würden die Höchstwerte in Wien "hoffentlich" zehn Grad Celsius erklimmen. "Wir machen sogenannten Ensemble-Vorhersagen und rechnen 50 verschiedene Modelldurchläufe mit immer leicht geänderten Anfangsbedingungen durch." Wenn die 50 Lösungen "ziemlich auseinanderklaffen" sei die Vorhersage noch sehr unsicher, und solch eine Schwankungsbreite sehe man am 9. April; allerdings würden alle Berechnungen zumindest einen Temperaturanstieg zeigen.

Doch davor müsse man noch einmal mit Nachtfrost und Höchsttemperaturen von maximal sechs bis sieben Grad rechnen. Das sei freilich nicht gerade das, was man sich unter Frühlingswetter vorstelle, meinte die Meteorologin: "Allerdings ist man ein bisschen verwöhnt vom Wetter der vergangenen Jahre, Märzwinter sind früher auch vorgekommen".

Der vom Climate Change Centre Austria (CCCA), dem Klima- und Energiefonds und der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien organisierte Klimatag soll einen Überblick über die Themen des Klimawandels bieten, zu denen in Österreich geforscht und diskutiert wird. Laut den Veranstaltern werden über 170 österreichische Forscher am 4. und 5. April 2013 an der Boku in Wien vortragen.