Wien. Schneegestöber beim Aufwachen, Schneegestöber am Weg zur Arbeit, Schneegestöber beim Schlafengehen. Kaum eine Frage ist derzeit quälender als: "Wann kommt endlich der Frühling?" Allzu bald offensichtlich nicht: Am Mittwoch fielen in Niederösterreich bis zu zwölf Zentimeter Neuschnee. Erst Mitte nächster Woche soll es laut Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) um 10 bis 15 Grad wärmer werden.
Auch statistisch gesehen ist die derzeitige Situation ungewöhnlich. Gab es doch zuletzt 1944 einen meteorologisch ähnlich ungemütlichen Frühlingsbeginn. Wie geht man heute damit um? Es ist ein eindeutiges Zeichen des Klimawandels, lautet der Grundtenor - wenn auch ein irritierendes, weil Erderwärmung und anhaltende Kälte widersprüchlich zu sein scheinen. Tatsächlich kommt der Frühling in Mitteleuropa immer früher, stellt die Zamg klar. Die heurigen Wetterkapriolen seien eine normale Schwankung entgegen dem Trend.
Klimaexpertin Kromp-Kolb präzisiert: "Die geringe Eisbedeckung in der Polarregion kann dazu führen, dass kalte Luft aus dem Norden zu uns kommt." Diese kalte Luftströmung stehe in Konkurrenz mit dem üblicherweise dominanten El-Niño-Prozess, der für warme Westwinde (über den Atlantik kommend) verantwortlich sei.
Beim 14. Österreichischen Klimatag, der von heute, Donnerstag, bis Freitag an der Universität für Bodenkultur in Wien stattfindet, wird es um genau dieses Thema des Klimawandels gehen. Der Trend sei, dass seit Mitte der 1980er Jahre der Frühling im Schnitt um etwa fünf Tage pro zehn Jahre früher kommt, sagt die Leiterin der Fachabteilung Klimatologie der Zamg, Elisabeth Koch. Vor allem anhand bestimmter Ereignisse in der Natur - wie die Flieder- und Rosskastanienblüte - zeige sich ein eindeutiges Vorrücken des Frühlings.
Hitze- und Kälteperioden werden beständiger
Allein, in unserer Klimazone seien die Jahr-für-Jahr-Schwankungen sehr groß. "Deshalb muss man sich sehr lange Zeiträume anschauen, um einen Trend feststellen zu können", sagt Koch. Was sich bereits jetzt abzeichne: "Wir haben sehr lange Hitze- und Kälteperioden und sehr lange Trocken- und Niederschlagsperioden." Die jeweiligen Wetterlagen werden also beständiger. Ein weiterer Trend laut Kromp-Kolb: "Der Frühling wird kürzer, der Übergang zwischen Winter und Sommer findet rascher statt. Im Mai sind daher schon Temperaturen über 30 Grad möglich."
Für die heimische Pflanzenwelt ist das aktuelle Wetter laut Koch kein Problem - die Entwicklung sei lediglich verzögert. "Spätfroste wie zum Beispiel voriges Jahr Mitte Mai sind da wesentlich grimmiger." Obstbäume, Erdäpfel, Zuckerrüben und Mais hätten damals Schaden gelitten.
Wildtiere hingegen leiden um vieles mehr unter der aktuellen, ungewöhnlich langen Kälteperiode. Vor allem für bedrohte Arten sei das Wetter ein echtes Problem, sagt der Biologie Walter Arnold, Leiter des Instituts für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien. "Bodenbrüter wie die Rebhühner, die als bedroht gelten, hatten schon Gelege. Für Arten wie diese sind solche Ausfalljahre besonders dramatisch", betont er.
Auch die Jungen zahlreicher Arten kämpfen ums Überleben: Feldhasen-Nachwuchs erfriert in den Ackerfurchen, Frischlinge sterben. Gämsen, Steinböcke und Rothirsche leiden Hunger. Die Fettreserven, die sie angelegt hatten, sind aufgebraucht. Frische Nahrung gibt es nicht. Arnold rechnet mit Populationsausfällen durch eine deutlich höhere Wintersterblichkeit, relativiert jedoch: Wildschweine hätten ohnehin überhandgenommen, ein besonders langer und strenger Winter gehöre hin und wieder zum natürlichen Kreislauf.
Betroffen seien auch Zugvögel, die jetzt nach Österreich zurückkehren. Sie sind überwiegend Insektenfresser - und finden nach einem energieraubenden Flug nur eine Schneedecke und kaum Futter vor. Auch Singvögel wie Drosseln, Finken oder Rotkehlchen hungern. "Hier kann man etwas tun und die Vögel füttern", sagt Arnold. "Am Anfang des Winters ist Vogelfüttern ja eigentlich ein Hobby - jetzt ist es überlebenswichtig."