Wien. Dass die heile Welt auf dem Land mit ihren saftigen grünen Wiesen, pausbackigen Lausbuben und drahtigen Bergbauern nur Klischee ist, ist wohl den meisten bewusst. Schaut man aber genauer hin und sieht Greißler, deren Rollläden seit Jahren geschlossen sind, verwahrloste Bahnhöfe und ausgestorbene Straßen, bekommt dieses Klischee ein makabres Gesicht. Fakt ist: Jede vierte Gemeinde in Österreich hat keinen Nahversorger mehr. 1750 Postfilialen wurden in den vergangenen 70 Jahren zugesperrt - in derselben Zeit wurden rund 2600 Gemeinden aufgelöst, zusammengelegt oder abgesiedelt.

Die Landflucht ist unaufhaltsam. Zwei Drittel der Gemeinden leiden unter Abwanderung, der gleiche Anteil der Bevölkerung lebt bereits in Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern. Auf dem Land bleiben vor allem die Alten zurück. "Es ist eine Abwärtsspirale", sagt dazu Trendforscher Andreas Reiter zur "Wiener Zeitung". "Sobald Geschäfte, Jobs und Infrastruktur weg sind, will keiner mehr in diese Region."

Frauen gehen zuerst


Die Ersten, die es aus den Dörfern in die Städte zieht, sind hoch qualifizierte Frauen. "Aus einem reinen Selbsterhaltungstrieb heraus, um sich volkswirtschaftlich potentere Männer zu suchen", sagt Reiter pragmatisch. Frauen aber seien der Kitt, der ein Dorf zusammenhält, weil sie sich - sobald sie Kinder haben - stärker für diese einsetzen und aktiver sind. Das Ende scheint absehbar. Eine Abwärtsspirale ins Nichts, gespickt mit Geisterdörfern und verödeten Landstrichen? "Nicht unbedingt, denn gleichzeitig zur Landflucht ist eine Bewegung aus den großen Städten hinaus ins ländliche Umland zu bemerken", sagt Reiter. Doch diese gegenläufigen Bewegungen führen nicht zu einer Art Ausgleich. "Städter wollen zwar mit dem Rückzug ins Umland ihre Sehnsucht nach dem Land stillen, gleichzeitig aber auf nichts verzichten und den ,Luxus‘ des Stadtlebens wie Internet, Handy und eine gut funktionierende Infrastruktur nicht missen."

Eine U-Bahn durch Tirol?


Ein Anspruch, der nach neuen Strukturen des Zusammenlebens schreit. "Räume müssen neu gedacht werden", sagt Reiter und führt als Beispiel eine raumplanerische Vision für das Inntal zwischen Kufstein und Innsbruck in Tirol an, das mit Abwanderung kämpft: Architekten haben dafür ein Modell erarbeitet, in dem eine U-Bahn die Talfurche durchquert, von der Seilbahnen in die einzelnen Täler führen.