
Wien. Was vor zehn Jahren noch ein Fremdwort war, hat heute seinen fixen Platz auf dem Arzneimittelmarkt erobert: Generika, also wirkstoffgleiche Kopien eines bereits unter einem Markennamen vertriebenen Medikaments. Deren Akzeptanz in Österreich steigt, wie eine am Mittwoch präsentierte GfK-Umfrage im Auftrag des Generikaverbandes ergeben hat: 70 Prozent ist der Begriff Generikum demnach geläufig - 2004 waren es noch 47 Prozent. Der Anteil all jener, die Arzneimittel-Kopien einnehmen, ist in diesem Zeitraum von 25 auf 40 Prozent gestiegen.
Der Generikaanteil am ersetzbaren Markt liegt laut Abrechnung der Krankenversicherungsträger 2012 bei 48 Prozent. Das heißt, bereits jede zweite Verordnung ist eine etwa halb so teure, patentfreie Kopie des Originalpräparats. Dieser Anteil wird voraussichtlich weiter steigen, laufen doch in den nächsten Jahren die Patente zahlreicher Blockbuster ab: der Startschuss, dass Generika dieses Medikaments hergestellt werden dürfen. Ziel ist laut Generikaverband ein Anteil von 75 Prozent, wie es ihn in Deutschland und der Schweiz gibt. Dadurch könnten rund 200 Millionen Euro der jährlichen Gesamtausgaben für Medikamente von 2 Milliarden Euro eingespart werden. Zur Beruhigung gleich vorweg: Das Arzneimittelgesetz in Österreich ist sehr streng, daher kommen ausschließlich auf Qualität, Wirksamkeit und Verträglichkeit getestete Medikamente auf den Markt.
Krankenkassen wollen sich mit Billigware konsolidieren
Fakt ist allerdings, dass der Einzug von Billigprodukten zu einem massiven Preisverfall geführt und Pharmafirmen, die bisher auf Entwicklung neuer Präparate spezialisiert waren, in eine existenzgefährdende Krise gestürzt hat. Ihr einzig gangbarer Weg: Selbst in den Generika-Markt einzusteigen, wie Jan Oliver Huber, Generalsekretär des Pharmaindustrie-Verbandes Pharmig, der "Wiener Zeitung" erklärt. Das Pharmaunternehmen Novartis mit Sitz in der Schweiz etwa stellt unter dem Firmennamen Originale und unter dem Namen Sandoz Generika her.
Denn was Patienten mit Privatrezept freilich freut und den Krankenkassen hilft, sich zu konsolidieren, bringt massive Einbußen für die Forschung mit sich, die nur durch Mitnaschen am Generika-Kuchen aufgefangen werden können. 2,5 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro kostet die Entwicklung eines Medikaments, die bis zu zwölf Jahre lang dauert. "Dazu kommt, dass das Ganze ein Hochrisikogeschäft ist, bei dem man große Summen vorstreckt - und nicht weiß, ob man aufgrund unvorhersehbarer Nebenwirkungen die Studien nach zwei Jahren einstellen muss", sagt Huber.
Das Fatale daran: Sobald ein Patent abgelaufen ist (gewöhnlich nach 20 Jahren), muss das Generikum per Erstattungskodex um 48 Prozent billiger als das Original sein - in weiterer Folge muss der Preis des Originals um mindestens 60 Prozent gesenkt werden, um weiterhin von den Krankenkassen übernommen zu werden. Garantie ist das dennoch keine, weil die Krankenkassen gemäß den Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise stets das preisgünstigste Medikament erstatten müssen, sobald es mehrere mit derselben Wirkungsweise gibt. "Ob das ein Generikum oder Original ist, ist uns dabei egal, günstiger muss es sein", heißt es dazu vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger.
Problematisch bei dieser Vorgangsweise ist laut Huber, dass die Präparate am Markt rasch wechseln, weil ständig etwas Billigeres verfügbar ist. "Patienten sind dadurch verunsichert, was nicht Sinn und Zweck einer Therapie ist." Denn noch immer stehe die Gesundheit im Vordergrund - und nicht die Generika-Quote.