
Wien. Die Umgebung wirkt verschwommen, weit entfernt, unwesentlich. Man sieht nur das eine, ist fokussiert auf dieses Ding im Verkaufsregal, das man vom ersten Moment an haben muss. Ob es nun ein Lippenstift, ein Akkuschrauber oder ein Paar Schuhe ist - man braucht sie alle nicht und war auch nicht auf der Suche danach. Dass man sie am Ende des Tages dennoch aus seinem Einkaufskorb auspackt, hat einen Grund: Man ist dem Impulskauf zum Opfer gefallen. Einer spontanen Kaufentscheidung also, die man innerhalb von Sekundenbruchteilen plant. Welche Mechanismen dahinterstecken und warum manche Menschen eher dazu neigen, untersuchen derzeit Psychologen rund um Oliver Büttner an der Universität Wien.
Denn so oft Betroffene auch belächelt werden, so ernsthafte Probleme können ihnen Impulskäufe bereiten. Im Extremfall geben sie derart unkontrolliert Geld aus, dass sie sich hoch verschulden - und dennoch weiterhin spontan einkaufen.
Laut dem Sozialpsychologen Büttner sind vier bis acht Prozent der über 14-Jährigen in industrialisierten Ländern wie Österreich oder Deutschland von dieser krankhaften Form des Impulskaufes betroffen. Generell neigten überwiegend Jüngere und Frauen zu Impulskäufen, "wobei es vermutlich mehr Männer sind als bisher angenommen", so Büttner. Denn Frauen gäben auf diversen Erhebungsbögen ihre Anfälligkeit eher zu als Männer, was die Zahlen verfälsche. Betroffene werden vor allen durch Emotionen geleitet. Sätze wie "Das sieht gut aus" oder "Das muss ich haben" schwirren ihnen durch den Kopf.
Mit den Augen kaufen
Spontaneinkäufe im Einzelhandel machen zwischen 30 und 60 Prozent des Umsatzes aus. Supermärkte setzen bewusst darauf und platzieren zum Beispiel Süßigkeiten unmittelbar vor der Kasse, wo sich die Kunden in der Warteschlange zwangsweise vorbeibewegen. Enge Gänge, die ein Durchrasen unmöglich machen, sowie teure Produkte auf Augenhöhe zählen ebenfalls zu den Tricks der Händler.
In der Arbeitsgruppe für Angewandte Sozialpsychologie und Konsumentenverhaltensforschung an der Uni Wien geht man nun folgendermaßen an das Problem heran: "Wir untersuchen, welche Rolle die visuelle Aufmerksamkeit bei Impulskäufen spielt", sagt Büttner zur "Wiener Zeitung". "Wir haben Grund zur Annahme, dass sich impulsive Konsumenten beim Einkaufen schlecht gegen ablenkende Reize - zum Beispiel interessante Produkte - abschirmen können. Ähnliche Ablenkungseffekte wurden bisher in Studien zum Konsum von Drogen nachgewiesen."
In einer aktuellen Studie fanden die Forscher bereits Belege für diese Hypothese. Im Zuge einer Versuchsreihe sollten sich Probanden auf ein bestimmtes Produkt konzentrieren und Fragen dazu beantworten. Zusätzlich wurden ihnen ablenkende Produkte gezeigt. Die Aufzeichnung ihrer Blickbewegungen zeigte: Impulsive Käufer lassen sich schon auf der Ebene der visuellen Aufmerksamkeit stärker durch Produkte ablenken, die nichts mit ihrem Einkaufsziel zu tun haben.
Sich selbst überlisten
Interessanterweise sind das aber nicht nur attraktive, typische Impulsprodukte wie etwa Schuhe bei Frauen oder Akkuschrauber bei Männern. Vielmehr brachten auch neutrale Dinge wie Brot und Milch die impulsiven Konsumenten unter den Probanden aus dem Konzept. Diese leichte Ablenkbarkeit zeigte sich allerdings ausschließlich in Einkaufssituationen. Betroffene sind also nicht generell leichter ablenkbar.
Das Forschungsprojekt soll im Herbst abgeschlossen sein - aber nicht, ohne Möglichkeiten gefunden zu haben, wie man helfen kann. "Als Nächstes suchen wir nach Techniken, wie Betroffene sich selbst überlisten können", sagt Büttner. Das kann ein Trainingsmechanismus sein, wie man sein Blickverhalten besser kontrolliert, oder das Schreiben einer Einkaufsliste, was beim Fokussieren im Geschäft hilft. Im Extremfall bleibt - wie bei der Drogensucht - nur noch die Therapie.