
Wien. Schneller, besser, ausdauernder. Nur noch Höchstleistungen zählen. Wer mittelmäßig ist, verliert. Die Rede ist hier nicht von Leistungssportlern, sondern Angestellten, Bürokräften, Selbständigen - von Menschen im Berufsleben also, die mit diesem Leistungsdruck oft nicht mehr mithalten können. Es ist ein Leben wie auf der Achterbahn. Nur nicht innehalten, sonst fällt man. Ähnlich wie im Spitzensport gibt es Mittel gegen das Versagen. Sie lauern hinter Namen wie Ritalin, Modafinil und Strattera, allesamt aufputschende Psychostimulanzien. Doch wie beim Doping ist das Glück von kurzer Dauer. Auf Höchstleistungen folgen Müdigkeit, Niedergeschlagenheit und Depression.
Um nicht in dieses tiefe Loch zu fallen, werden weiter Stimulanzien genommen. Und ehe man es sich eingesteht, ist man süchtig. Doping ist nicht mehr auf die Ausnahmegruppe der Spitzensportler beschränkt, sondern hat das breite Feld der Arbeitswelt erreicht. Die Zahl der Betroffenen steigt. "Leistungssteigernde Substanzen kommen zunehmend im Berufsleben zum Einsatz", sagt Suchtexperte Michael Musalek, Leiter des Anton-Proksch-Institutes in Kalksburg, zur "Wiener Zeitung". Denn nur noch der Erfolg, den man am Arbeitsplatz erzielt, zählt - wie man dazu kommt, bleibt einem selbst überlassen.
Der Konkurrenzkampf im Büro hat die Dauer der Krankenstände sinken lassen. Entfielen im Jahr 1980 noch 17,4 jährliche Krankenstandtage auf jeden Arbeiter oder Angestellten, so waren es 1990 nur 15,2. Heute sind es 12,8, wie aus dem aktuellen Fehlzeitenreport hervorgeht. Das zehrt an der Substanz: Der Anteil der Ausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen ist gestiegen.
Ein scheinbarer Ausweg ist Doping. In unseren Nachbarländern Deutschland und der Schweiz dopen Studien zufolge vier bis fünf Prozent der Erwerbstätigen am Arbeitsplatz. Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse respektive die Schweizer Unfallversicherungsanstalt hatten die Umfragen durchgeführt. In Österreich gibt es zwar keine vergleichsbaren Erhebungen, es ist aber naheliegend, dass hier ähnliche Zahlen gelten. Bei den rund vier Millionen Beschäftigten im Land wären das 160.000 bis 200.000 Menschen, die ihre Arbeitsleistung durch Medikamente zu steigern versuchen.
Alkohol, Tabletten, Kokain
Dafür scheint jedes Mittel recht. Von Alkohol über stimulierende Amphetamine, die in Tablettenform geschluckt werden können, bis hin zu Kokain wird laut Musalek alles genommen. Solange es nur das Schlafbedürfnis zurück- und die Risikobereitschaft und Konzentrationsfähigkeit hinaufschraubt. Dass viele Substanzen zusätzlich den Appetit zügeln, ist eine willkommene Nebenerscheinung, vor allem für Frauen.