Retznei. Die Erfindung ist eigentlich für die Fische, nutzt aber auch den Menschen: Der weltweit erste Fisch-Lift ermöglicht sämtlichen Wassertieren, selbst bei Wasserkraftwerken flussauf- und flussabwärts schwimmen zu können, und erzeugt gleichzeitig Strom. Nächste Woche geht die aus Niederösterreich stammende Erfindung beim steirischen Verbund-Kraftwerk Retznei am Unterlauf der Sulm erstmals in Betrieb. Gespräche mit dem Ausland laufen bereits - bis 2027 müssen nämlich alle Flüsse innerhalb der EU für Fische durchgängig sein. So schreibt es die EU-Wasserrahmenrichtlinie vor, die im Jahr 2000 in Kraft getreten ist.
Sogenannte Fischwanderhilfen wie Fischtreppen oder -pässe gibt es zwar schon seit vielen Jahren, sie funktionieren aber meistens nur in eine Richtung mithilfe künstlich angelegter Becken - und sie erzeugen keinen Strom. "Bei unserem System werden Fische über zwei ineinanderliegende Schnecken, die gegenläufig gewunden sind, sowohl nach oben als auch nach unten befördert", sagt Nino Struska vom niederösterreichischen Unternehmen "Hydroconnect", das den Fisch-Lift erfunden hat. Die Größe der Schnecken sei auf die für das jeweilige Gewässer größte Fischart angepasst. Im Fall des Kraftwerks in Retznei ist das der Hecht, ein bis zu 90 Zentimeter großer Raubfisch.
EU-patentiertes Flügelsystem zieht Fische an
Aufgrund des EU-patentierten, eigens geformten Flügelsystems entsteht laut Struska sowohl am oberen als auch unteren Ende der Schnecke eine Strömung, die die Fische von beiden Seiten in den Lift hineinschwimmen lässt. Gleichzeitig wandelt der Lift die Energie aus der Flussströmung des Restwassers der Kraftwerke, das für gewöhnlich ungenützt vorbeifließt, in Strom um.
"Bis zu eine Million Kilowattstunden pro Jahr sind möglich", sagt Struska im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" und rechnet vor: "Wenn man von 10,4 Cent ausgeht, die man durchschnittlich für eine Kilowattstunde bekommt, die man ins Netz einspeist, sind das circa 100.000 Euro pro Jahr. Ein Fisch-Lift kostet je nach Fallhöhe zwischen 100.000 und 700.000 Euro. Das heißt, selbst den Preis für große Lifte hat man innerhalb weniger Jahre durch die Stromerzeugung herinnen."
Der Stromproduzent Verbund, der das Kraftwerk an der Sulm betreibt, will nun erst einmal das System über mehrere Monate hinweg beobachten. "Es wird ein durchgehendes Video-Monitoring geben um zu sehen, wie es von den Fischen angenommen wird", sagt Robert Zechner vom Verbund. Dieses Monitoring soll - so der Plan - die Universität für Bodenkultur (Boku) begleiten. Dieser sei vor allem wichtig zu sehen, wie der Austausch der Fische zwischen Sulm und Mur künftig funktioniere, heißt es auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" von der Boku. Die Sulm ist ein Nebenfluss der Mur, das Kraftwerk steht im Mündungsbereich. Das Wehr hatte die Fische über Jahre hinweg getrennt.
"Wir haben unseren Flüssen schon so viel angetan"
Für den Verbund ist freilich auch der Faktor, wieviel Strom erzeugt wird, wesentlich. Erst dann will man entscheiden, an welchen Standorten der Fisch-Lift noch installiert werden soll. "Prinzipiell eignet er sich eher für unsere kleineren Kraftwerke", sagt Zechner, "weil er nicht viel Platz braucht." Er könne aber auch bei größeren verwendet werden.
Der Stromproduzent EVN ist ebenfalls interessiert. "Wir beschäftigen uns sehr mit diesem Thema und haben bereits Gespräche mit ,Hydroconnect geführt", heißt es. Einsatzmöglichkeiten für den Fisch-Lift gäbe es jedenfalls viele: In Österreich sind mehr als 2800 Wasserkraftwerke in Betrieb, die Strom ins Netz einspeisen. Ein großer Teil ist noch nicht einmal mit herkömmlichen Fischwanderhilfen versehen.
Der WWF-Flussexperte Christoph Walder sieht die Fisch-Lift-Erfindung freilich differenzierter. Schließlich ist sie ebenfalls ein Eingriff in die Natur. Als "Notlösung", wie er es nennt, habe sie aber ihre Berechtigung. "Wir haben unseren Flüssen schon so viel angetan. Um die Durchgängigkeit wieder herzustellen, muss man eben auch einmal einen Fisch-Lift akzeptieren."