Budapest/Wien. "Ich gehöre zum Volk der Roma und meine dunkle Hautfarbe macht dies sichtbar", sagt Eva Fatyol. Sie ist 60 Jahre alt, hat Kommunikation und Theologie studiert. Erst neulich lief in Budapest ein Filmfestival zur Diskriminierung der Roma, das sie organisiert hat.
Für den 8. April hatte Fatyol bei den Austrian Airlines (AUA) einen Flug nach Kanada gebucht, weil sie dort Freunde ihres kürzlich verstorbenen Mannes besuchen wollte. Probleme waren nicht in Sicht, zumal ungarische Staatsbürger für Kanada kein Visum brauchen. Doch beim Eincheck-Schalter der AUA in Schwechat war die Reise zu Ende. Ähnliches wie Fatyol erlebte Ende April auch die vierköpfige Roma-Familie Orsos, die mit der AUA zu einer Verwandten nach Toronto fliegen wollte. Die kanadische Botschaft in Wien sagte der "Wiener Zeitung", sie wolle diese Fälle überprüfen.
Eva Fatyol hatte, wie sie meinte, alles Nötige dabei: das Hin- und Rückflugticket von Wien nach Toronto, Geld und Adressen von kanadischen Freunden, die für sie bürgten. Trotzdem wurde sie von den AUA-Mitarbeitern nicht zum Einstiegsgate geschickt, sondern an Zlatko Nikcevic verwiesen, Mitarbeiter der Sicherheitsfirma G4S, wie sie erzählt. Dieser wollte noch einmal ihre Personaldaten und Reise-Voraussetzungen überprüfen.
Securityfirma prüft die Passagiere
Fatyol habe Nickevic die Telefonnummern der kanadischen Freunde gegeben, damit dieser nachprüfen kann, ob sie tatsächlich von diesen Bekannten eingeladen worden ist. Zwischendurch habe Nikcevic die Reisende telefonisch mit einer Dolmetscherin verbunden, der sie noch einmal ausführlich den Zweck ihrer Reise und die Herkunft ihres Geldes erklären musste. Anschließend habe der G4S-Mann ihr gesagt, die kanadische Einwanderungsbehörde habe ihre Freunde in Toronto nicht erreichen können. Deswegen werde die Einreise verweigert. Man empfehle Frau Fatyol, sich an die kanadische Botschaft in Wien zu wenden. Das hat sie versucht, doch war die Botschaft gerade geschlossen.
Die Ungarin gab entnervt auf - doch nun erwägt sie eine Klage gegen die AUA. Dabei hilft ihr Gabor Lukacs, ein engagierter junger Aktivist für Rechte von Flugpassagieren, der ihren Fall über ungarische Medien publik gemacht hat. Fatyols kanadische Freunde sollen übrigens von der Einwanderungsbehörde gar nicht angerufen worden sein. War das ganze Manöver also nur ein Trick, um schlichtweg einer dunkelhäutigen Person aus Osteuropa den Weg nach Kanada zu versperren? Und zwar mit Hilfe einer privaten Sicherheitsfirma, die womöglich nach sehr speziellen Kriterien entscheidet?
Nikcevic, "operations manager" bei G4S, sagte, er dürfe keine Auskunft geben und verwies auf die Pressesprecherin seiner Firma, die aber derzeit nicht erreichbar sei. Die kanadische Botschaft erklärte der "Wiener Zeitung", G4S arbeite nicht in ihrem Auftrag. Hingegen bestätigte die AUA, dass G4S von ihr beauftragt sei, an den Eincheck-Terminals für Flüge in die USA Passagiere zu kontrollieren. Dort leite man die Personaldaten aller Passagiere nach Washington. Die US-Einwanderungsbehörde gebe dann in jedem Einzelfall grünes Licht für die Einreise - oder eben nicht.
Dass dasselbe System auch für die Kanada-Reisenden angewendet werde, konnte die AUA nicht bestätigen. Allerdings sei es bekannt, dass "alle Staaten mit hohen Sicherheitsanforderungen", wie etwa die USA, solche Personenchecks am Abflugort im Ausland verlangten. Zudem würden diese Staaten Airlines heftig zur Kasse bitten, wenn sie unerwünschte Passagiere einfliegen.
Geldstrafe für Fluggesellschaften
Der kanadische Grenzschutz bestätigte dies auf Anfrage der "Wiener Zeitung". Kanada sammle zum Kampf gegen Terrorismus, Schmuggel und illegale Immigration über "Verbindungsoffiziere" Informationen und erteile Einreiseverbote. Fluggesellschaften würden aufgrund des kanadischen Einwanderungs- und Flüchtlingsgesetzes mit Geldbußen bestraft, wenn sie Personen trotz eines Einreiseverbots nach Kanada bringen. Davon, dass ein privater Wachdienst dabei mitmischen soll, war aber in der Stellungnahme aus Ottawa nicht die Rede.
Zudem blieb unklar, warum Reisende erst im letzten Moment erfahren dürfen, dass sie in Kanada nicht willkommen sind. Zu den konkreten Fällen wollte Kanada nicht Stellung nehmen, wies aber den Vorwurf des Rassismus zurück. Der 31-jährige Rom Vendel Orsos, dem es in Schwechat ebenso erging wie Eva Fatyol, ist fassungslos: "Jetzt habe ich erlebt, dass es Rassismus gegen Roma nicht nur in Ungarn gibt."