St. Pölten. 32 europäische und 15 kanadische Biber. So viele waren es, als die Biber in den 1970ern - 150 Jahre nach der Ausrottung in Österreich -hier wieder angesiedelt wurden. Von den kanadischen Bibern, die größer als ihr europäisches Pendant sind, hat kein Nachkomme überlebt. Von den europäischen Bibern dafür umso mehr. Heute sind es an die 5500, die sich in der Dämmerung durch Auwälder und Felder nagen. Und es werden stetig mehr.

Der Großteil von ihnen lebt in Niederösterreich. Rund 4000 seien es, sagt Martin Tschulik von der Abteilung Naturschutz der niederösterreichischen Landesregierung zur "Wiener Zeitung". In den vergangenen zehn Jahren habe sich deren Population verdoppelt. Nun sei eine Grenze erreicht - vor allem, was die durch Biber verursachten Schadenszahlungen betreffe.

Die Renovierung der Hochwasserdämme etwa, die Biber mit ihren Gängen untergraben und zum Einsturz bringen können, koste mitunter mehrere 100.000 Euro. Aber auch, dass Biber Bäume fällen und deren Rinde abnagen, macht sie nicht unbedingt beliebter, sind doch wirtschaftlich wertvolle Arten wie massive Eichen darunter. Zudem frisst der Biber gern Mais und Zuckerrüben. Sein Lebensraum wächst, denn Feinde hat der Biber keine. Bären und Wölfe kreuzen so gut wie nie seinen Weg, und auch der Mensch konnte ihn bisher nicht ernsthaft gefährden: Der Biber ist aufgrund der EU-Fauna-Flora-Habitatrichtlinie ganzjährig streng geschützt.

"Die Populationssicherheit muss gewährleistet bleiben"


In Niederösterreich scheint man aber nun einen Weg gefunden zu haben, diese zu umgehen. Der Landtag hat laut Tschulik in der Vorwoche eine Änderung des Naturschutzgesetzes beschlossen, durch die der Artenschutz für bedrohte Tiere und Pflanzen aufgeweicht wird. Konkret soll man künftig auf die Populationen geschützter Arten mit "günstigem Erhaltungszustand", wie es juristisch formuliert heißt, per Verordnung eingreifen dürfen. In anderen Worten heißt das, dass bestimmte Arten wie der Biber, sobald dieser zum Beispiel die öffentliche Sicherheit durch das Untergraben von Dämmen gefährden, bejagt werden dürfen.

Schon bisher waren in Niederösterreich genauso wie in anderen Bundesländern vereinzelte Biber-Abschüsse möglich, allerdings musste man dafür den Weg über die Landesregierung gehen und einen Bescheid dafür beantragen. Die Gesetzesänderung soll Tschulik zufolge die Verwaltung vereinfachen und Schaden vermeiden, nicht aber zur erneuten Ausrottung des Bibers führen. "Die Populationssicherheit muss gewährleistet bleiben", sagt er.

An den Rahmenbedingungen für die Verordnung arbeite man noch, so Tschulik. Diese werde voraussichtlich zwei bestimmte Arten betreffen - und hier kommt der ebenfalls streng geschützte Fischotter ins Spiel. Dieser wurde gleichzeitig mit dem Beschluss der Naturschutzgesetzesnovelle vom Jagdrecht in das Naturschutzgesetz übergeführt, sodass die Novelle nun auch für ihn schlagend wird. Denn die Fischotter-Population hat sich laut Tschulik in zehn Jahren ebenfalls verdoppelt. Aktuell lebten zwischen 800 und 1000 Tiere in Niederösterreich und fressen sich durch die Fischbestände. In Kärnten kämpft man mit einem ähnlichen Problem. Hier sollen auf einer Teilstrecke des Görtschitztales die Fischotter bejagt werden dürfen, weil sie eine bestimmte Fischart fast ausgerottet haben.

Die Umweltschutzorganisation WWF und die niederösterreichische Landtagsabgeordnete Madeleine Petrovic (Grüne) sind entsetzt. "Ich halte diese Gesetzesänderung für verfassungswidrig", sagt Petrovic. "Denn das Schutzrecht hat großteils Verfassungsrang." Petrovic befürchtet, dass die Änderung einem Freibrief für den Abschuss gleichkommen könnte. "Das geht in Richtung unkontrollierte Jagdbefugnis." Dass gerade Niederösterreich der Schauplatz ist, liegt für sie auf der Hand, "wenn man es in der Jägerschaft mit Namen wie Pröll oder Mensdorff-Pouilly zu tun hat". Ex-ÖVP-Finanzminister Josef Pröll und der Geschäftsmann Alfons Mensdorff-Pouilly wurden im Vorjahr wegen den von ihnen veranstalteten Gatterjagden angezeigt.

Biber-Management-Stelle sucht nach alternativen Lösungen


"Niederösterreich gibt mit dieser Gesetzesänderung eine bedenkliche Richtung vor, die andere Bundesländer aufgreifen könnten", befürchtet Christian Pichler vom WWF. In ökologischer Hinsicht seien die Biberbauten nämlich extrem wertvoll, weil sie unzähligen Tieren wie Libellen oder Amphibien Unterschlupf böten.

Bis jetzt hat noch kein anderes Bundesland einen Schritt wie Niederösterreich getan. Das liegt vermutlich auch daran, dass das flächenmäßig größte Bundesland mit seinen weitläufigen Auwäldern und Fischteichen ideale Bedingungen für Biber und Fischotter bietet, und diese sich hier gerne ansiedeln. Grundsätzlich ist aufgrund der Topografie eher der Osten Österreichs betroffen.

Bezüglich der Biber setzt man in den meisten Bundesländern auf eine Biber-Management-Stelle, die in den Landesregierungen eingerichtet ist und die man bei Konflikten kontaktieren kann. Gemeinsam wird dann nach Lösungen gesucht, zum Beispiel in Form von Elektrozäunen, um die Biber abzuhalten. Auch Umsiedelungen mit Lebend-Fallen sind möglich.