
Leonding/Wien/Luxemburg. Wer in Österreich eine neue Apotheke eröffnen will, muss mitunter jahrelang darum streiten. Im Fall eines oberösterreichischen Apothekers aus Leonding sind es genau genommen mehr als zehn Jahre, in denen er mit den Behörden kämpft. Nun schaltete sich sogar der Europäische Gerichtshof (EuGH) in die Causa ein, wenn auch indirekt: In einem Bescheid rüffelt das EU-Gericht eine Verwaltungsregelung, die den umstrittenen Gebietsschutz und die damit verbundene Bedarfsregelung für Apotheken betrifft.
Laut EuGH ist eine untere Gerichtsinstanz - in diesem Fall das Landesverwaltungsgericht Oberösterreichs - nicht an das Höchstgericht gebunden, wenn sich dieses - hier der Verwaltungsgerichtshof - in seiner rechtlichen Beurteilung nicht an Unionsrecht hält. Und wie Unionsrecht auszulegen ist, bestimme die EU. Denn EU-Recht steche die nationale Vorgabe, dass untere Gerichte vorbehaltlos an übergeordnete Gerichte gebunden sind.
Niedergelassene Apotheker gegen neue Konzession
Aber alles der Reihe nach. Die Luxemburger EU-Richter wurden vom oberösterreichischen Landesverwaltungsgericht angerufen, weil sich dieses im Verfahren um die besagte Apothekenkonzession in der Zwickmühle sah: Einerseits hielt es die Rechtsauslegung eines Paragrafen im Apothekengesetz durch den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) für falsch, weil unionsrechtswidrig. Andererseits ist das Landesverwaltungsgericht an die Entscheidungen des VwGH gebunden. Konkret gab der VwGH der Beschwerde der niedergelassenen Apotheker in der Nähe des Leondinger Apothekers recht, dass es keinen Bedarf an einer neuen Apotheke gebe. Ein Gutachten der Apothekerkammer war ebenfalls zu diesem Schluss gekommen, dennoch hatte das Landesverwaltungsgericht ursprünglich dem Antrag des Apothekers stattgegeben. Das Landesverwaltungsgericht war auch nach der VwGH-Entscheidung noch immer der Meinung, dass die Regelung zum Mindesteinzugsgebiet, wenn es um die Erteilung einer Apothekenlizenz geht, gegen die Niederlassungsfreiheit der EU verstößt, und wandte sich deshalb an den EuGH.
Dieser hatte Österreich schon 2014 wegen der Regelung zum Mindesteinzugsgebiet verurteilt, die besagt, dass man erst ab einem Einzugsgebiet von 5500 Personen eine neue Apotheke eröffnen darf. Zusätzlich muss ein Mindestabstand von 500 Metern zur Konkurrenz eingehalten werden. "Die in Österreich bei der Neuerrichtung von Apotheken angewandten demografischen Kriterien sind nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar", hieß es damals. Vielmehr müsse es den Behörden möglich sein, örtliche Besonderheiten wie dünn besiedelte Gebiete zu berücksichtigen und von der starren Zahl der zu versorgenden Personen abzuweichen.
Danach war das Gesundheitsministerium am Zug, das Apothekengesetz zu reparieren. Das ist bis heute nicht geschehen. "Seitdem gilt aber ein Erlass an die Bezirksverwaltungsbehörden, von der starren Regelung abzusehen, wenn es die örtlichen Gegebenheiten erfordern", heißt es auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" vom Gesundheitsministerium. Das Apothekengesetz wolle man mit der Primärversorgung mitregeln, deren Entwurf bis Ende des Jahres vorliegen soll, um sie 2016 umzusetzen. Derzeit verhandle das Ministerium mit den Ländern und den Sozialversicherungen über einheitliche Rahmenbedingungen zur Versorgung der Patienten.
Der aktuelle EuGH-Entscheid wirkte wie ein Fingerzeig auf die noch nicht erfolgte Gesetzesreparatur zur Bedarfsregelung für neue Apotheken. Im heurigen Entscheid merkt der EuGH sogar an, dass der nationale Gesetzgeber die entsprechende Passage im Apothekengesetz noch nicht geändert habe.
"Die Gutachten der Kammer haben hohe Objektivität"
Die Apothekerkammer nimmt das Urteil dennoch gelassen. "Es geht dabei ja gar nicht um die Bedarfsregelung an sich, sondern um eine Meinungsverschiedenheit zwischen Landesverwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof", sagt der Rechtschef der Apothekerkammer, Rainer Prinz. Die Kritik, dass die Kammer zu viel Macht darüber habe, ob ein Antragsteller eine neue Konzession bekommt oder nicht, weist er zurück. "Die Gutachten der Apothekerkammer haben anerkannt hohe Objektivität", sagt Prinz. Zudem seien die Gutachten für die Behörden nicht bindend.