New York City. Einem jungen Mann, er schichtet Pfirsiche in ein Regal, rutscht die Schachtel aus der Hand, die roten Früchte kullern durch die engen Gänge. Die "Kunden" manövrieren ihre Einkaufswägen geschickt vorbei, einige knien nieder und helfen mit, das gefallene Obst einzusammeln.

In der Park Slope Food Coop, einer der ältesten Lebensmittelkooperativen in den USA, setzt man seit 43 Jahren auf Zusammenarbeit. Heute ist sie mit 17.000 Mitgliedern die größte Food Coop des Landes, in der alle Mitglieder mitarbeiten müssen, die Unterscheidung zwischen "Kunde" und "Mitarbeiter" gibt es de facto nicht. Das erklärt die teilweise ungeübten Arbeiter wie den Mann mit den Pfirsichen, aber auch die geringen Personalkosten.

Faschiertes vom Weiderind, Freiland-Eier, koscheres Geflügel. Brie und Parmesan, auf Wunsch auch vegan, sowie Yogamatten und Honigkerzen in der Form des Buddha: Das Sortiment erinnert an jenes von Whole Foods, der größten Bio-Supermarktkette der Welt. In der Food Coop erhält man alles, was das Öko-Herz begehrt. Aber anders als beim Bio-Riesen kaufen die Coop-Mitglieder zu Spottpreisen ein. Ein halbes Kilogramm Äpfel kostet weniger als einen Euro, ein Bund Bio-Kohl gerne einmal zwei Dollar. Man erspart sich 20 bis 40 Prozent gegenüber herkömmlichen Supermärkten, verspricht die Coop, die Handelsspanne beträgt nur 21 Prozent (zum Vergleich: 26-100 Prozent sind es in einem herkömmlichen Supermarkt).

Mitarbeit ist Pflicht

Die Preise und die Qualität der Produkte - fast alles gibt es auch in der Bio-Variante, vieles kommt von Produzenten aus der Nachbarschaft - unterscheidet die Park Slope Food Coop aber nicht nur von herkömmlichen Supermärkten, sondern auch von anderen Food Coops.

Gegründet wurde sie, wie viele andere in den USA, vor fast 50 Jahren mit Rückenwind der 1968er-Bewegung. Doch die Park Slope Food Coop ist eine der wenigen, die dem Prinzip, dass jedes Mitglied mitarbeiten muss, bis heute treu geblieben ist. "Damals gehörte es zum Zeitgeist, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen", sagt Coop-Pressesprecherin Ann Herpel.

Andere Ideale - wie jenes, dass die Produkte möglichst bio und lokal sein sollen - seien erst im Laufe der Zeit dazu gekommen, erzählt sie: "Damals ging es eher darum, günstige Lebensmittelpreise anbieten zu können. Heidelbeeren aus Argentinien hat man sowieso nicht bekommen."

Auf 500 Quadratmetern und in sechs Gängen drängen sich dutzende Mitglieder, und versuchen, an die Produkte in den Regalen heranzukommen. Einkäufer, arbeitende Mitglieder, abgestellte Leitern und Rollwägen kommen einander dabei immer wieder in die Quere. Das Shoppingerlebnis ist besonders zu Stoßzeiten am Abend alles andere als entspannt.

"Der vegane Parmesan ist aus, wo ist der vegane Parmesan?" Ein Mitarbeiter, in seiner Stimme schwingt leichte Verzweiflung, teilt via Lautsprecher mit, was nachgeschlichtet werden muss. Die Produkte liegen hier vier- bis fünfmal kürzer in den Regalen als in anderen Supermärkten, dadurch sind die Lebensmittel garantiert frisch. Einmal pro Woche ist das Geschäft komplett leergeräumt, pro Woche geben die Mitglieder im Schnitt eine Million Dollar aus.

Einkauf nur für Mitglieder

Nur Mitgliedern ist es gestattet, hier einzukaufen. Um in den Genuss der Privilegien eines Mitglieds zu kommen, muss man zuerst einen Orientierungs-Workshop besuchen und 100 Dollar Investitionsbeitrag zahlen (10 Dollar für Sozialhilfebezieher). Dadurch, dass alle Mitglieder auch Miteigentümer sind, haben diese einen anderen Bezug zu den Lebensmitteln, sagt Herpel: "In anderen Geschäften bekommt man Früchte, die vielleicht aussehen wie Erdbeeren, doch nicht wie Erdbeeren schmecken, und den Mitarbeitern ist das egal. Hier ist das anders."

Wer vergisst, dass er hier nicht Kunde und schon gar nicht König ist, wird darauf schnell, und nicht immer freundlich, hingewiesen; etwa wenn die Frau hinter der Kassa dazu aufruft, den Korb gefälligst selbst auszuräumen und wegzutragen. Man sollte auch besser nicht "zweite Kassa bitte" rufen - außer man will gleich selbst einspringen.

Als Kassier sollte man das Warenangebot im Blick haben, im Warenempfang oder als Produzent im Keller muss man mitunter stark anpacken, im Büro über die bürokratischen Abläufe Bescheid wissen. Die Anforderungen und Arbeitsbereiche sind höchst unterschiedlich.

Mit den Rechten kommen auch Pflichten: Jedes Mitglied muss einmal pro Monat 2 Stunden und 45 Minuten mitarbeiten. Zu besonders beliebten Arbeiten zählt die Kinderbetreuung, die Fahrradaufsicht oder "Walking"; man hilft einkaufenden Mitgliedern dabei, die Lebensmittel bis zur U-Bahn, zum Auto, oder - für die, die Glück haben und nahe wohnen - bis nach Hause zu transportieren.

Auch die Schicht in der Lebensmittelverarbeitung ist begehrt: im Keller duftet es nach Anis und Zimt, es werden Kräuter und Trockenfrüchte abgepackt und gewogen, Käse wird portioniert. Im Hintergrund läuft Jazz, die Arbeiter diskutieren die herannahenden Präsidentschaftswahlen und jammern, wie schwierig es ist, Karten für das Broadway-Musical "Hamilton" zu bekommen.