Wien. Bereits zweimal hat die Drogeriekette dm über einen Antrag beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) versucht, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (NVA) in seinen Regalen verkaufen zu dürfen. Beide Male war dm nicht erfolgreich. Zuletzt blitzte das Unternehmen im Oktober des Vorjahres vor dem VfGH ab, weil einzelne Argumente den jeweiligen Paragraphen zu wenig detailliert zugeordnet waren. Die Anwälte arbeiten aber bereits an einem dritten Antrag, sagt dm-Sprecher Stefan Ornig zur "Wiener Zeitung" - innerhalb der nächsten drei Monate soll dieser beim VfGH eingebracht werden.

Schon im Zuge des ersten Antrags 2016 war das Vorhaben von dm auf massiven Widerstand vonseiten der Apotheker gestoßen. Vor allem die Fachberatung sowie der Schutz vor Missbrauch würden dabei fehlen, hieß es. Beim Online-Versand über Apotheken, der seit 2015 erlaubt ist, sei das ebenfalls nicht gewährleistet, konterte dm.

Zwischenzeitlich hat nun das Institut für Höhere Studien (IHS) im Auftrag des Apothekerverbandes eine Studie durchgeführt, die zwei der Autoren, Thomas Czypionka und Markus Pock, am Montag präsentierten. Im Wesentlichen ging es dabei darum, welche Auswirkungen eine Liberalisierung der NVA hätte. Die Autoren orientierten sich an Fallstudien aus Dänemark, den Niederlanden, Norwegen, Schweden Großbritannien und den USA, wo in den vergangenen Jahren Deregulierungsmaßnahmen gesetzt wurden. Im englischsprachigen Raum ist das Maß an Regulierung grundsätzlich gering.

Das Fazit der Studie: Die von dm propagierten Preissenkungen seien nicht eingetreten, sagte Czypionka. Vielmehr hätten sich die Besitzregeln geändert. Apotheken und Drogerien schlossen sich zusammen. In Norwegen etwa seien nun 80 Prozent der Apotheken im Besitz von drei großen Ketten - was wiederum die Preise beeinflusse. In Schweden sei die Situation ähnlich.

Bei der Menge des Konsums stellte man indes keinen direkt auf die Deregulierung zurückzuführenden Anstieg fest, und auch die Auswirkungen auf die Versorgungsdichte waren gering. In der Stadt erhöhte sich diese leicht, auf dem Land kam es mitunter zu Verschlechterungen. Der Deckungsbeitrag (Differenz zwischen Umsatz und variablen Kosten) der NVA liegt laut Pock bei mehr als zehn Prozent (Umsatz: acht Prozent). In Einzelfällen könnten Apotheken bei einem Einbruch beim NVA-Verkauf zusperren müssen - ein Drogeriemarkt sei aber weder in der Nacht noch an Wochenenden geöffnet.

Vorzeigeland Dänemark


Diese Randzeitenversorgung wiederum ist laut Czypionka in Österreich durch den NVA-Verkauf querfinanziert. Fällt dieser weg, könnte das volkswirtschaftliche Folgen haben. Denn in Dänemark etwa springe der Staat für die Querfinanzierung ein.

Eine sinnvolle Lösung wäre laut Studie, einen etwaigen Verkauf von NVA außerhalb von Apotheken restriktiv zu handhaben, wie das ebenfalls in Dänemark der Fall ist. Sechs Prozent aller NVA werden dort im Geschäft verkauft. Und zwar jene mit minimalem Gesundheitsrisiko. Einige dürfen nur an über 18-Jährige verkauft werden, andere sind auf eine Packung beschränkt.

Selbst diese Variante ginge aber Apotheker- und Ärztekammer zu weit. Sie sprechen sich gegen jede Art der Liberalisierung aus, weil diese Qualitätseinbußen zur Folge hätte, heißt es auf Nachfrage. "Arzneimittel sind keine übliche Handelsware. Egal ob ein Arzneimittel rezeptpflichtig ist oder nicht - es hat Wirkungen", meint etwa die Apothekerkammer.

Das IHS stellte allerdings auch Verbesserungsbedarf am Status quo der Apotheken fest. So müssten die Kontrolle von Beratungsleistungen verstärkt und Maßnahmen für mehr Preistransparenz gesetzt werden - Medikamentenpreise sollten etwa von Apotheken online gestellt werden.