Wien. Am Wochenende ist ein Sechsjähriger nach einem Badeunfall im Faaker See in Kärnten gestorben. Wenig später musste ein Dreijähriger im Oberwarter Freibad reanimiert werden - Badegäste hatten ihn im Wasser treibend entdeckt und Alarm geschlagen, das Kind ist außer Lebensgefahr.
Mit den steigenden Temperaturen und Besucherzahlen in Österreichs Schwimmbädern häufen sich Meldungen wie diese. Pro Jahr ertrinken laut Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) durchschnittlich fünf Kinder unter 15 Jahren - vier von diesen sind unter fünf Jahre alt. Kinder ertrinken lautlos. Sie strampeln nicht und schreien nicht. Sie gehen einfach unter.
2007 bis 2016 seien insgesamt 507 Personen durch Ertrinkungsunfälle ums Leben gekommen, darunter 467 Erwachsene und 40 Kinder, so das KFV. In der Altersgruppe der Kleinkinder sei das Ertrinken somit bereits die häufigste unfallbedingte Todesursache und die zweithäufigste Todesursache.
"Rund 35 Prozent der Kinder können nicht schwimmen"
Warum das so ist, liegt für den Präsidenten der Österreichischen Wasserrettung, Heinrich Brandner, klar auf der Hand: "Die Anzahl der Nichtschwimmer steigt kontinuierlich an", sagt er zur "Wiener Zeitung". Dem Wiener Stadtschulrat zufolge können rund 50 Prozent der Drittklässler nicht schwimmen. Im Jahr 2006 lag der Anteil der Nichtschwimmer noch bei 44 Prozent, 1999 bei 25 Prozent.
Dieser hohe Prozentsatz der Nichtschwimmer in Wien könnte freilich auch mit dem Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund zusammenhängen. "Wer vom Elternhaus nicht gefördert wird, läuft Gefahr, nie schwimmen zu lernen", sagt Brandner. Österreichweit könnten etwa 35 Prozent der Kinder nicht schwimmen, schätzt er. Unter den Erwachsenen sei der Anteil geringer, weil diese noch einer anderen Generation angehörten: jener der Schwimmer. Jener Generation, in der es noch selbstverständlich war, im Zuge des Turnunterrichts ins Schwimmbad zu gehen und Schwimmabzeichen zu sammeln.
Heute sei das anders, sagt Brandner. Denn: "Die geeigneten Schwimmbäder mit Sportbecken für eine Schwimmausbildung fehlen. Sie wurden zu Spaßbädern mit seichten Becken, Rutschen und Wellnessbereich." An Schulklassen, die ruhige Bereiche benötigen, sind Spaßbäder-Betreiber freilich wenig interessiert.
In Deutschland gebe es diesen Trend schon seit längerem, vor fünf bis sechs Jahren sei er "nach Österreich geschwappt", so Brandner. Selbst für die Rettungsschwimmer werde das Trainieren dadurch immer schwieriger. Schwimmhallen mit 50-Meter-Becken gebe es österreichweit nur noch drei. Und diese müsse man sich dann stundenweise mit Triathleten, der Polizei, dem Roten Kreuz und dem Bundesheer teilen.