Paris. Der sogenannte Almauftrieb führte über den betonierten Trocadéro-Platz bis zum Eiffelturm. Mitten in Paris gibt es zwar nicht den Hauch einer Alm. Aber die 27 Schafe, die vor einigen Tagen gemächlich in die französische Hauptstadt einzogen, wirkten nicht verschreckt, fanden zumindest auf den Grünflächen Nahrung und überall gehörig viel Aufmerksamkeit.
140 Kilometer hatte die Herde in mehreren Wochen im Laufe des Juli zurückgelegt, durch 34 Vororte von Paris war sie gezogen. Organisiert wurde die Aktion vom Verein der "Stadthirten", der sich um die Ausbildung einer "urbanen Landwirtschaft" bemüht. "Schafe in der Stadt - das ist möglich. Das wollten wir zeigen", sagte Vereins-Mitbegründerin Julie-Lou Dubreuilh.
Sie bekräftigte damit einen Trend, der Paris seit einigen Jahren erfasst hat. Die französische Metropole soll sauberer und ökologischer werden. Regelmäßig werden die Grenzwerte für Luftverschmutzung überschritten. In diesem Jahr verurteilten ein französisches Gericht wie auch die EU-Kommission den französischen Staat, weil er keine ausreichenden Schritte gegen diese Gesundheitsgefahren unternehme.
Die Hitzewelle in dieser Woche mit einem Höhepunkt von 42 Grad am Donnerstag hat die Debatte nun noch einmal beschleunigt - und die Stadt zu Not-Maßnahmen veranlasst: An drei Tagen durften nur noch Fahrzeuge ins Stadtgebiet fahren, die laut Umweltplakette einen geringen Schadstoffausstoß haben. Wasser-Fontänen wurden aufgestellt und Trinkflaschen verteilt.
Bürgermeisterin Anne Hidalgo will aber über solche punktuellen Maßnahmen hinausgehen und bereitet ein schrittweises Fahrverbot für Autos mit schlechter Öko-Bilanz und vor allem Dieselfahrzeuge vor: Bis 2024, wenn die französische Metropole die Olympischen Spiele ausrichtet, darf hier kein Auto mit Verbrenner-Motor mehr unterwegs sein. Zudem hat Hidalgo angekündigt, "Stadtwälder" an zentralen Orten wie dem Vorplatz des Rathauses oder hinter der Alten Oper pflanzen zu lassen. Bei einer gewissen Dichte der Bepflanzungen könne das Phänomen von "Hitzeinseln" entstehen und einen positiven Umwelteffekt haben, sagt der an dem Projekt beteiligte Landschaftsarchitekt Michel Desvign. Er warnt zugleich vor zu hohen Erwartungen in Zeiten von Hitzewellen.
20.000 neue Bäume
Die ehrgeizige Rathauschefin, die den Kampf für eine bessere Luftqualität zu ihrem Hauptthema erklärt hat, droht hingegen mit deutlichen Worten, Paris werde bald "unbewohnbar", wenn man den steigenden Temperaturen nicht entgegenwirke.
Seit ihrem Amtsantritt 2014 gebe es 40 Hektar zusätzliche Parks und Grünbereiche und wurden 20.000 neue Bäume im Stadtgebiet gepflanzt. Darüber hinaus wuchern mehr und mehr Gärten auf Dachterrassen, Schulhöfe werden begrünt und Radwege massiv ausgebaut. Seit der Sperrung weiter Teile der Seine-Ufer tummeln sich auf den einstigen Schnellfahrstrecken Skateboarder, Rollerfahrer, Flaneure. Regelmäßig finden autofreie Sonntage statt. Hidalgo kündigte sogar an, dass die vier ersten Arrondissements im Herzen der Stadt mittelfristig verkehrsberuhigt werden sollen.
Mit solchen Plänen zieht sich die Sozialistin zwar den Zorn der Auto- und Taxifahrer zu - der Verein "40 Millionen Autofahrer" verdächtigt sie, aus "reiner Ideologie" zu handeln: Die neu entstehenden Staus verschlimmerten die Luftverschmutzung demnach sogar.
Umwelt dominiert Wahlkampf
Das Umwelt-Thema bestimmt auch bereits den beginnenden Wahlkampf vor der Bürgermeisterwahl im März 2020. Hidalgo wird nicht nur von den Grünen herausgefordert, mit denen sie derzeit koaliert, sondern auch vom Kandidaten von Macrons LREM-Partei, Benjamin Griveaux, sowie von ihrem sozialistischen Parteikollegen Gaspard Gantzer: Der frühere Kommunikationschef von Ex-Präsident François Hollande hat angekündigt, die notorisch verstopfte Ringautobahn um Paris gänzlich abzureißen. Alle Bewerber setzen auf Öko-Themen, so als sei die Rathauschefin in dem Bereich nicht schon längst aktiv.
Kürzlich stellte sie ein weiteres Vorzeigeprojekt vor, das ebenfalls bis 2024 fertig sein soll. Um den Eiffelturm ist ein 50 Hektar großer Park geplant, der bis zur Militärschule auf der einen Seite der Seine reichen und den Trocadéro gegenüber mitsamt der Brücke über den Fluss einschließen soll. 72 Millionen Euro dürfte das Projekt kosten, das den sieben Millionen jährlichen Besteigern des Eiffelturms einen neuen, grüneren Eindruck der Stadt verschaffen soll. "Wir werden wieder Vögel singen hören", verspricht Hidalgo. Das Gezwitscher könnte sich dann in das Blöken von Schaffen mischen, wenn die "Stadthirten" wieder vorbeikommen.