Eine ukrainische Passagiermaschine ist Mittwochfrüh in der Nähe des Imam-Chomeini-Flughafens der iranischen Hauptstadt Teheran kurz nach dem Start abgestürzt. Nach Angaben der Hilfsorganisation Iranischer Halbmond kamen alle Insassen ums Leben. Laut ukrainischen Angaben befanden sich insgesamt 176 Menschen in der Boeing 737 - 167 Passagiere sowie neun ukrainische Crewmitglieder.

Russischen Medien zufolge war die Maschine von Ukraine International Airlines auf dem Weg von Teheran nach Kiew. Boeing reagierte kurz nach dem Absturz mit einem Tweet: "Uns sind die Medienberichte aus dem Iran bekannt und wir tragen gerade mehr Informationen zusammen." Die um kurz nach 5.00 Uhr Ortszeit gestartete Maschine mit der Flugnummer PS752 stürzte ersten Erkenntnissen zufolge in ein offenes Feld nahe dem Teheraner Vorort Parand. Das Flugzeug hätte gegen 8.00 Uhr Ortszeit in der ukrainischen Hauptstadt Kiew landen sollen. Iranische Medien berichteten unter Berufung auf einen Vertreter der Flugaufsicht, der Pilot habe keinen Notruf abgesetzt. TV-Bilder zeigten Trümmerteile und schwelende Triebwerkteile sowie Rettungskräfte mit Schutzmasken, die mit der Bergung der Leichen beschäftigt waren.

82 Passagiere stammten aus dem Iran, 63 aus Kanada, elf aus der Ukraine, zehn aus Schweden, vier aus Afghanistan, drei aus Deutschland und drei aus Großbritannien. Die meisten Fluggäste wollten laut dem ukrainischen Außenministerium in der Ukraine umsteigen und in andere Länder weiterreisen. Hinweise, dass sich österreichische Passagiere an Bord befunden haben, gebe es nicht, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Peter Guschelbauer, am Mittwochvormittag auf APA-Nachfrage.

Iran: Technischer Defekt

Die iranische Luftfahrtbehörde führte den Crash auf einen technischen Defekt zurück, wie der iranische Nachrichtensender Chabar unter Berufung auf einen Sprecher der Behörde berichtete. Wie diese so kurz nach dem Absturz Mittwochfrüh zu dem Schluss eines Technikfehlers als Ursache kam, blieb zunächst offen.

Kurz nach den iranischen Raketenangriffen auf Militärstützpunkte im Irak in der Nacht auf Mittwoch hatte die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA US-Flugzeugen die Nutzung des Luftraums in Teilen des Nahen Ostens untersagt. Über dem Persischen Golf, dem Golf vom Oman, im Irak und im Iran dürften in den USA registrierte Flugzeuge "wegen erhöhter militärischer Aktivitäten und steigender politischer Spannungen" nicht mehr operieren, hieß es in einer Mitteilung am Dienstag (Ortszeit). Es gebe ein erhöhtes Risiko, das ein Flugobjekt falsch identifiziert werde. Der oberste geistliche Führer des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, hatte die Raketenangriffe als "Schlag ins Gesicht" der Vereinigten Staaten bezeichnet. Teheran hatte nach der gezielten Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani "Vergeltung" angekündigt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte vor Spekulationen über die Ursache für den Absturz einer Passagiermaschine. "Ich bitte alle sehr, von Spekulationen und der Verbreitung ungeprüfter Versionen zur Katastrophe bis zur Veröffentlichung offizieller Informationen Abstand zu nehmen", schrieb er am Mittwoch auf Facebook. Er kündigte an, dass die Passagierliste veröffentlicht werden solle. "Wir werden klären, wer wirklich ins Flugzeug stieg, damit es keine Abweichungen gibt." Wegen des Unglücks brach Selenskyj eine geplante Reise in den Oman ab.

Blackboxen werden ausgewertet

Iranische Rettungskräfte haben inzwischen eine der beiden Black Boxes des Flugzeugs gefunden und untersucht diese. Die Staatsanwaltschaft in Teheran bestätigte, dass sich die Überreste der Opfer in der Gerichtsmedizin befinden. Man wolle nun alles tun, um die Ursache aufzuklären, versicherte die Airline. Laut Ukraine International Airlines handelte es sich um eine erfahrene Crew, auch die Fluggesellschaft wies die Theorie zurück, dass eine Rakete die Boeing 737 getroffen und zum Absturz gebracht habe. Auch die Botschaft der Ukraine im Iran erklärte: "Terrorismus" sei nicht die Ursache des Absturzes.

Die ukrainische Fluggesellschaft Ukraine International Airlines hat nach dem Absturz Iran alle Flüge nach Teheran eingestellt. Die 1992 gegründete größte ukrainische Airline verfügt nach eigenen Angaben über 42 Flugzeuge und führt wöchentlich rund 1.100 Flüge in insgesamt 38 Länder durch. Hauptaktionär ist der Oligarch Igor Kolomoiski.

Der Airline zufolge war die Maschine vom Typ Boeing 737-800 vier Jahre alt und wurde erst vor zwei Tagen technisch überprüft. Das Flugzeug des Baujahres 2016 sei direkt beim Hersteller erworben worden, es sei ein Mittelstreckenjet, wie er von Airlines weltweit eingesetzt wird. Es ist eine der modernsten Versionen des bewährten Flugzeugtyps - ist allerdings nicht zu verwechseln mit der Boeing 737 Max, die nach zwei folgenschweren Abstürzen mit weltweiten Flugverboten belegt wurde. Die Maschine habe erst am Montag die reguläre technische Überprüfung durchlaufen.

"Die Maschine wurde 2016 ausgeliefert, war also noch relativ neu und hatte auch keine anderen Vorbesitzer", erklärte Unfallforscher Jan-Arwed Richter vom Hamburger JACDEC-Flugsicherheitsbüro. Es handle sich um den mit Abstand schwersten Absturz einer ukrainischen Zivilmaschine überhaupt. "Der Unfall war der erste tödliche Unfall seit der Betriebsaufnahme der Ukrainian International Airlines im Jahre 1994", erklärte Richter.

Ukraine eröffnet Strafverfahren

In einer neuen Erklärung führte die ukrainische Botschaft im Iran nicht mehr Triebwerksversagen als Absturzursache auf. Der ukrainische Ministerpräsident meinte auf die Frage, ob das Flugzeug von einer Rakete abgeschossen worden sein könnte, er rate von Spekulationen ab, bis die Absturzursache offiziell feststehe. "Ich habe den Generalstaatsanwalt angewiesen, ein Strafverfahren zu eröffnen", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch. Die Kommission, die den Absturz untersuchen soll, wird demnach aus Vertretern der staatlichen Ermittlungsbehörden und den Experten für zivile Luftfahrt bestehen. "Wir müssen allen möglichen Versionen nachgehen", sagte Selenskyj. Nach internationalem Recht kommt allerdings dem Iran die Federführung bei den Untersuchungen zu, weil sich der Vorfall auf iranischem Boden ereignete. (apa, afp, reuters, dpa)