In der der Mamprobi-Klinik in Ghanas Hauptstadt Accra herrscht reger Betrieb. Es ist laut, Kinder klettern über ihre Mütter, während sie auf ihre Masernimpfung warten. In einem für Corona-Impfungen reservierten Bereich draußen herrscht dagegen gähnende Leere. Eine Frau, die darauf wartet, dass ihre Tochter geimpft wird, ist sich des Risikos durchaus bewusst, das die Masern mit sich bringen. Aber Covid-19? Sie hat noch nie von einem einzigen Fall gehört.
Die Haltung, dass Covid-19 keine große Bedrohung darstellt, ist in Ghanas Hauptstadt wie andernorts in Afrika weit verbreitet. Dort gibt es dank der jungen Bevölkerung nur einen Bruchteil der Opferzahlen von Europa zu beklagen, wo die Krankheit vor allem ältere Menschen dahinraffte. "Ghana ist bis jetzt verschont geblieben", sagt der 28-jährige Bauarbeiter Nana Kwaku Addo aus Accra.
Nur 17 Prozent der 1,3 Milliarden Afrikaner sind vollständig gegen Covid-19 geimpft. In vielen wohlhabenden Ländern liegt die Quote bei über 70 Prozent - zum Teil auch deshalb, weil sie im vergangenen Jahr, als die weltweite Nachfrage am größten war, Vorräte horteten. Leidtragende waren die auf Lieferungen aus dem Ausland angewiesenen Länder Afrikas. Jetzt, wo der Bedarf in vielen Industrienationen gesättigt ist und die Impfdosen endlich auf dem afrikanischen Kontinent ankommen, sinkt dort auch die Nachfrage. Denn die Menschen haben weniger Angst vor Corona, Fehlinformationen über die Impfstoffe haben sich verfestigt.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sank die Zahl der Impfungen im März um 35 Prozent. "Wenn wir früher geimpft worden wären, würde so etwas nicht passieren", sagt Christina Odei, die Leiterin des Covid-Teams in der Mamprobi-Klinik, über das geringe Interesse an der Impfung in Accra. "Ursprünglich wollten es alle, aber wir hatten die Impfstoffe nicht." Gesundheitsexperten macht das Sorgen, denn die niedrige Impfquote erhöht das Risiko, dass sich neue Varianten entwickeln,
In Südafrika, dem am stärksten betroffenen Land auf dem Kontinent, sind die Fallzahlen angesichts von zwei Omikron-Untervarianten zuletzt wieder in die Höhe geschnellt. Um die Impfquote zu erhöhen, werden nun mobile Impfteams in die Gemeinden geschickt, um Impfungen vor Ort anbieten zu können. Viele Länder können sich jedoch die Fahrzeuge, den Treibstoff, die Kühlboxen und die Gehälter, die für eine flächendeckende Kampagne vonnöten sind, nicht leisten.
Malaria und Hungerkrise
Rahab Mwaniki, Afrika-Koordinatorin beim Bündnis Peoples Vaccine Alliance, sagt, es sei von den Afrikanern viel verlangt, Covid-Impfungen zu priorisieren, um Menschen anderswo auf der Welt zu schützen - vor allem angesichts der niedrigen Infektionsraten in Afrika selbst. "Viele Menschen sagen: Ihr habt uns nicht geholfen. Sie haben das Gefühl, dass der Westen sie nie wirklich unterstützt hat." Trotzdem sollten sich die Menschen impfen lassen, um sich selbst und andere vor neuen Varianten zu schützen, betont sie.
Doch viele Afrikaner sind Leid gewohnt und mit tödlichen Krankheiten vertraut. Millionen erkranken jedes Jahr an Tuberkulose. An Malaria sterben jährlich Hunderttausende, meist Kinder unter fünf Jahren. In Westafrika herrscht eine schlimme Nahrungsmittelkrise, ausgelöst durch Konflikte, Dürre und die Folgen des Krieges in der Ukraine für die Lebensmittelpreise. Für viele hier ist Covid-19 daher nicht die größte Sorge.
Nach Monaten des Mangels hat Afrika nun mehr Impfdosen, als man verimpfen kann. In der Klinik in Mamprobi werden nun die Mitarbeiter selbst aktiv. Sie gehen zu Marktständen und Geschäften in der Gegend, mit einer Kühlbox voll Impfstoff über der Schulter, und fragen die Leute dort, ob sie eine Impfung wollen. Doch nur vier Dosen hat das Team nach einer Stunde in der sengenden Sonne verabreicht.(reuters)