Eine Woche nach den verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Zahl der Todesopfer auf fast 38.000 gestiegen. Während allein im Katastrophengebiet im Süden der Türkei beinahe 32.000 Tote geborgen wurden, wuchs die Zahl der Toten im Nordwesten Syriens auf mehr als 5.900, wie die Weltgesundheitsorganisation WHO meldete.
Obwohl die Hoffnung schwand, noch Überlebende zu finden, konnten Helfer in der Provinz Gaziantep am Montag 170 Stunden nach dem ersten Beben eine weitere Frau lebend aus den Trümmern eines eingestürzten Hauses befreien, wie der Sender CNN Türk berichtete. Ein anderes Rettungsteam versuchte demnach in der Provinz Kahramanmaraş über einen Tunnel eine verschütteten Mutter, ihr 30 Tage altes Baby und die Großmutter zu erreichen, die unter den Schuttmassen vermutet wurden.
Angesichts der massiven Schäden werden noch zahlreiche Opfer unter den Trümmern befürchtet. Bereits jetzt ist es in der Türkei das Erdbeben mit den meisten Toten seit 1939. Präsident Recep Tayyip Erdogan, der bei den bevorstehenden Wahlen wiedergewählt werden will, sieht sich mit immer größerer Wut der Bevölkerung konfrontiert. Viele werfen ihm und den Behörden vor, viel zu langsam und unzureichend auf die Katastrophe reagiert zu haben. Zudem werden Fragen nach der Bauweise in dem Erdbebengebiet laut.
Die Opposition wirft der Regierung vor, Baubestimmungen nicht konsequent erzwungen und Sondersteuern für stabilere Gebäude nach dem letzten großen Erdbeben 1999 verschwendet zu haben. Erdogan weist die Vorwürfe zurück und bezichtigt die Opposition der Lüge. Die Regierung demonstrierte wegen möglicher Baumängel im Katastrophengebiet in den vergangenen Tagen ein hartes Durchgreifen und nahm nach eigenen Angaben zahlreiche Verdächtige fest.
Rettungskräfte vor Ort
Die Soldaten des Bundesheeres packten am Montag in der Türkei zusammen. Sie wurden am Sonntag zu keinem Einsatz mehr angefordert. Ein Rette-und Bergeteam bleibt für etwaige Anforderungen bis heute Mittag einsatzbereit. Das schrieb Bundesheersprecher Michael Bauer Montagfrüh auf Twitter.
Seit Dienstag waren 82 Soldatinnen und Soldaten in der Türkei. Ursprünglich war die Rückkehr erst nach zehn Tagen für Donnerstag geplant. Die Helfer retteten neun Menschen lebend aus den Trümmern. Laut Bauer haben die Soldaten der sogenannten Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU) mit dem Abbau des Feldlagers begonnen, auch andere internationale Hilfsorganisationen würden abbauen.
Der Einsatz wurde von der problematischen Sicherheitslage in der Türkei erschwert. Am Samstag musste der Rettungseinsatz mehrerer Hilfsgruppen zeitweise gestoppt werden.
EU hilft
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gestern in einem Telefonat die Lieferung von weiteren Zelten, Decken und Heizvorrichtungen zu. Über das sogenannte EU-Katastrophenschutzverfahren wurden der Türkei nach Angaben von gestern schon jetzt 38 Rettungsteams mit 1.651 Helfern und 106 Suchhunden angeboten. Zudem hätten zwölf EU-Staaten bereits 50.000 winterfeste Familienzelte, 100.000 Decken und 50. Heizgeräte zur Verfügung gestellt. Hinzu kämen 500 Notunterkünfte, 8.000 Betten und 2.000 Zelte, die die Kommission mobilisiert habe. (apa, reuters)