Knapp zehn Tage nach den schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien ist ein Bub aus den Trümmern gerettet worden. Der 13 Jahre alte Mustafa sei nach 228 Stunden in der türkischen Stadt Antakya befreit worden, teilten die Istanbuler Feuerwehr am Mittwochabend mit. Auf einem Video ist zu sehen, wie Feuerwehr und Bergekräfte versuchen, den Jugendlichen anzusprechen, der dann auf einer Trage aus den Trümmern gebracht wird.

Der türkische Katastrophendienst Afad berichtete, das mit Stand Donnerstagfrüh 36.187 Tote in Zusammenhang mit dem Beben gemeldet wurden, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Bisher habe es mehr als 3.800 Nachbeben gegeben, so die Regierung. Mehr als 100.000 Menschen seien verletzt worden, rund 13.200 werden demnach weiter in Krankenhäusern behandelt.

Die türkische Regierung hat die Zahl der betroffenen Provinzen von zehn auf elf erhöht, sagte der Sprecher der AKP-Partei, Ömer Celik. Auch die osttürkische Provinz Elazig gelte auf Anweisung des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nun offiziell als Katastrophengebiet.

Die Katastrophe kann die Türkei ein Prozent des BIP kosten

Viele Opfer werden noch immer unter den Trümmern vermutet. Präsident Erdogan versprach am Montag, die Bergungsarbeiten nicht einzustellen, ehe alle Verschütteten geborgen seien. In den sozialen Medien teilen viele Menschen inzwischen Suchanzeigen in der Hoffnung, ihre Angehörigen in Krankenhäusern wiederzufinden. Mehr als 13.000 Verletzte werden noch in Spitälern behandelt, sind aber teilweise nicht identifizierbar, wie ein Krankenhausmitarbeiter in Adana sagte. Vielerorts wurde auch die Infrastruktur zur Krankenversorgung stark beschädigt.

Die Katastrophe wird die Türkei einer Prognose zufolge bis zu ein Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung kosten. "Das Erdbeben hat in hohem Maße landwirtschaftliche Gebiete und Regionen mit leichter Produktion betroffen, so dass die Auswirkungen auf andere Sektoren begrenzt sind", sagte die Chefvolkswirtin der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE), Beata Javorcik. Der Wiederaufbau könnte aber im Jahresverlauf die negativen Auswirkungen auf Infrastruktur und Lieferketten ausgleichen.

Unsicherheit auch in Zusammenhang mit den Wahlen

Die Türkei und das benachbarte Syrien wurden am 6. Februar von dem verheerenden Erdbeben und starken Nachbeben erschüttert. Weit mehr als 40.000 Menschen kamen ums Leben, Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Viele Überlebende sind bei winterlichen Temperaturen obdachlos geworden. Auf Naturkatastrophen spezialisierte Experten veranschlagen die wirtschaftlichen Schäden in der Türkei und in Syrien auf mehr als 20 Milliarden Dollar (18,69 Milliarden Euro). Nur ein Bruchteil davon - gut eine Milliarde Dollar - sei versichert, hieß es in einer ersten Schätzung der US-Firma Verisk Analytics.

Die Wachstumsprognose für die Türkei - die der größte Empfänger von Mitteln der Wiederaufbaubank ist - wurde für das laufende Jahr von 3,5 auf 3,0 Prozent nach unten korrigiert. Die vollen Auswirkungen der Naturkatastrophe sind in dieser Schätzung noch nicht berücksichtigt. Der wachsende externe Finanzierungsbedarf und die politische Ungewissheit im Zusammenhang mit den für dieses Jahr geplanten Wahlen erhöhten die Unsicherheit, so die EBWE. (apa, dpa, reuters)