In Syrien sind nach Angaben der Vereinten Nationen 8,8 Millionen Menschen von den Folgen der Erdbebenkatastrophe betroffen. "Die Mehrheit von ihnen benötigt voraussichtlich irgendeine Form von humanitärer Unterstützung", schrieb die stellvertretende UNO-Syrienbeauftragte Najat Rochdi am Sonntag bei Twitter. Aktivisten und Helfer in den Rebellengebieten im Nordwesten Syriens hatten in den Tagen nach den Beben vom 6. Februar mangelnde Hilfe der UNO beklagt.

Die Vereinten Nationen (UN) seien voll der Aufgabe verpflichtet, mehr zur Hilfe aller Syrer zu unternehmen, betonte Rochdi. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths hatte während eines Besuchs in der Region dann Versäumnisse bei der Hilfe für die Opfer im Nordwesten eingeräumt. Beobachter sahen dabei auch bürokratische Hürden der UN, deren Güter angesichts kaputter Straßen mit kleineren Fahrzeugen schneller hätten eintreffen können als mit den üblichen großen Lastwagen.

Bisher fuhren seit der Katastrophe mehr als 140 Lastwagen mit UN-Hilfsgütern aus der Türkei in den von Rebellen kontrollierten Nordwesten Syriens. Dort wurden mehr als 9.000 Gebäude komplett oder teilweise zerstört, wodurch mindestens 11.000 Menschen ihr Zuhause verloren. Am dringendsten benötigten die Betroffenen laut UN jetzt unter anderem Unterkünfte wie Zelte.


Stehen noch am Anfang

Fast zwei Wochen nach den schweren Erdbeben haben im Nordwesten Syriens aber noch immer nicht alle Menschen Nothilfe erhalten. "Wir stehen noch am Anfang und haben das Schlimmste noch nicht gesehen", sagte der für Syrien zuständige UN-Nothilfekoordinator Muhannad Hadi der Deutschen Presse-Agentur. Bisher seien etwa 60.000 Menschen mit Wasser und rund 13.000 Erdbebenopfer mit Zelten versorgt worden. Nach UN-Angaben sind aber rund 40.000 Haushalte ohne Obdach.

Sollte die nötige Finanzierung, die die UN allein für Syrien mit 400 Millionen Dollar (376,5 Mio. Euro) veranschlagt, nicht zustandekommen, könne auch künftig nicht allen geholfen werden, warnt Hadi.

Noch immer kommen demnach auch keine Hilfen aus den Regierungsgebieten in die von Rebellen kontrollierten Erdbebenregionen. Die UN will Hilfen eigentlich verstärkt auch über die inländischen Grenzen der Konfliktparteien in den von den Beben schwer getroffenen Nordwesten des Landes fließen lassen. "Wir waren noch nicht in der Lage das umzusetzen", räumt der Nothilfekoordinator ein. Die Transporte der UN für die Rebellengebiete kommen bisher ausschließlich über die Türkei. Syrien ist nach Jahren des Bürgerkriegs zersplittert in Gebiete unter verschiedener Kontrolle. Das erschwert die humanitäre Hilfe nach der Katastrophe.

UNO fürchtet Gewalt gegen Frauen und Kinder

Die UNO fürchtet zudem Gewalt gegen Frauen und Kinder, die derzeit im Freien schlafen oder in Notunterkünften keinen sicheren Zugang zu Toiletten haben. Hadi warnt, dass der Schutz für diese vulnerablen Gruppen in Nordwestsyrien dringend ausgebaut werden müsse. Etliche Kinder hätten ihre Angehörigen verloren.

In der Türkei hat die Regierung unterdessen Immobilien-Besitzer zur Bereitstellung von Wohnraum für die Erdbebenopfer aufgerufen. Es wurde eine Internetseite eingerichtet, über die Eigentümer leer stehende oder ungenutzte Wohnungen und Häuser entweder kostenlos oder zu einem günstigen Mietpreis - für mindestens drei Monate - anbieten kann, teilte Vize-Präsident Fuat Oktay im Staatssender TRT mit. (apa)