Zwei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien hat ein weiteres Beben der Stärke 6,4 die südosttürkische Provinz Hatay erschüttert. Das teilte die Erdbebenwarte Kandilli in Istanbul am Montag mit. Das Epizentrum habe im Bezirk Samandag gelegen. Es wurden bereits mehrere Tote und Hunderte Verletzte gemeldet.
Die Menschen liefen in Panik auf die Straße, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Nach Angaben des Senders CNN Türk fiel in Hatay der Strom aus.
Das Beben war auch in den umliegenden Provinzen, im Norden Syriens und bis in den Libanon zu spüren. Ein Bewohner aus der Nähe der syrischen Stadt Aleppo sagte, es sei so stark gewesen wie das vor zwei Wochen, habe aber nicht so lang gedauert. "Es hat die Menschen verängstigt und auf die Straße rennen lassen", berichtete Abdel Kafi.

In mehreren Orten nahe der Stadt Aleppo seien erneut Häuser eingestürzt, erklärte eine Sprecherin der Hilfsorganisation SAMS. Darunter sei auch die Kleinstadt Dschindiris nahe der türkischen Grenze, die schon vor zwei Wochen stark von den Beben getroffen wurde.
Über dieses wird mittlerweile langsam Bilanz gezogen: Die Zahl der Menschen, die in der Türkei durch das Erdbeben getötet worden sind, ist auf 41.020 gestiegen. Das teilte die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad nun mit. In Syrien sind bisher rund 5.900 tote Menschen in Zusammenhang mit den verheerenden Beben gezählt worden. Die Zahl wird jedoch nur unregelmäßig aktualisiert. Insgesamt sind damit in beiden Ländern fast 47.000 Menschen ums Leben gekommen.
In Syrien sind laut UNO 8,8 Millionen Menschen von den Folgen der Erdbebenkatastrophe betroffen. "Die Mehrheit von ihnen benötigt voraussichtlich irgendeine Form von humanitärer Unterstützung", schrieb die stellvertretende UNO-Syrienbeauftragte Najat Rochdi bei Twitter. Aktivisten und Helfer in den Rebellengebieten im Nordwesten Syriens hatten in den Tagen nach den Beben vom 6. Februar mangelnde Hilfe der UNO beklagt.
Luftbrücke der Nato
Mit Unterkünften helfen wird die Nato. Im Mitgliedsland Türkei wird ein Camp mit Notunterkünften für mindestens 4.000 Menschen aufgebaut. Sonntagabend hat ein Frachtschiff mit 600 Containern dafür den Hafen der italienischen Stadt Taranto - der extra dafür geöffnet blieb - verlassen, teilte ein Bündnissprecher mit. Es soll im Laufe der Woche in der Stadt Iskenderun ankommen. Außerdem koordiniert die Nato eine Luftbrücke für den Transport von Zelten aus Pakistan in die Türkei. Durch das Erdbeben vor rund zwei Wochen wurden nach Regierungsangaben rund 225.000 Wohnungen zerstört oder stark beschädigt.
Die Katastrophe hat die Region in vielerlei Hinsicht schwer getroffen. Welche Folgen sich etwa für Schüler und den Unterricht ergeben werden, ist kaum absehbar. 600 Schulen seien allein in Syrien zerstört worden, sagte Yasmine Sherif, Direktorin des UN-Fonds Education Cannot Wait (ECW), dem TV-Sender Al Jazeera. Aus dem Fonds sollen sieben Millionen US-Dollar (etwa 6,5 Mio Euro) an Notfallzuschüssen kommen, um Kindern in Syrien auch weiterhin den Zugang zu Bildung zu ermöglichen.
Einige Rettungseinsätze vor Ort, wo auch Aufräumarbeiten begonnen haben, neigten sich über das Wochenende dem Ende entgegen. So beendete etwa ein Such- und Rettungsteam aus Katar seinen zweiwöchigen Einsatz in der Südtürkei, wie die katarische Nachrichtenagentur QNA berichtete. Der türkische Katastrophenschutz Afad gab am Sonntag bekannt, dass die Sucharbeiten in neun der elf betroffenen Provinzen beendet seien. Nur in Kahramanmaras und Hatay werde weiter nach Verschütteten gesucht, sagte der Afad-Vorsitzende Yunus Sezer vor Journalisten in Ankara.
Es werde geschätzt, dass mehr als 1,2 Millionen Menschen die betroffene Region in der Türkei verlassen haben. Über eine Million Betroffene sind derzeit vorübergehend in Unterkünften untergebracht, wie Sezer sagte.
US-Außenminister Antony Blinken machte sich am Sonntag zusammen mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu ein Bild von der Zerstörung in der schwer vom Erdbeben betroffenen Provinz Hatay. Dabei sagte Blinken weitere 100 Millionen US-Dollar an Hilfen zu. Damit hätten die USA nun insgesamt 185 Millionen Dollar zugesagt.
In Syrien war die Lage für viele Menschen schon vor den Beben verheerend. Bombardements und Kämpfe im jahrelangen Bürgerkrieg, eine schwere Wirtschaftskrise und eine oft kaum vorhandene öffentliche Versorgung haben das Land zu einem Brennpunkt für humanitäre Helfer werden lassen.
Und etwa zwei Wochen nach den Beben haben im Nordwesten Syriens noch immer nicht alle Menschen Nothilfe erhalten. "Wir stehen noch am Anfang und haben das Schlimmste noch nicht gesehen", sagte der für Syrien zuständige UNO-Nothilfekoordinator, Muhannad Hadi. Bisher seien beispielsweise etwa 60.000 Menschen mit Wasser und rund 13.000 Erdbebenopfer mit Zelten versorgt worden. Nach UNO-Angaben sind derzeit aber rund 40.000 Haushalte ohne Obdach.
Zelte dringend benötigt
Bisher fuhren seit der Katastrophe mehr als 140 Lastwagen mit UNO-Hilfsgütern aus der Türkei in den von Rebellen kontrollierten Nordwesten Syriens. Dort wurden mehr als 9.000 Gebäude komplett oder teilweise zerstört, wodurch mindestens 11.000 Menschen ihr Zuhause verloren. Am dringendsten benötigten die Betroffenen laut UN jetzt unter anderem Unterkünfte wie Zelte. Allerdings gestaltet sich die Hilfe dorthin schwierig, zumal kaum Hilfen aus den von der Regierung kontrollierten Regionen in die Rebellengebiete kommen.
Mittlerweile ist ein Konvoi der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in die Region aufgebrochen, aber auch er musste den Weg über die Türkei nehmen. 14 Lkw hätten die Grenze passiert und seien auf dem Weg in die Katastrophengebiete im Nordwesten Syriens, teilte die Organisation mit. (dpa/reu/apa)