"Stop Eacop!", sprüht ein Klimaaktivist mit Graffiti-Farbe auf den Fußboden. Im Glaskasten dahinter steht eine Schaufensterpuppe in einem Arbeiteranzug mit dem Logo der Ölfirma Total auf der Brust.
Hier in Ugandas Nationalmuseum soll ein von Total gesponserter Pavillon den Besuchern die Ölförderung erklären. Eacop ist die East African Crude Oil Pipeline, die ostafrikanische Ölpipeline, die der französische Ölmulti Total und der chinesische Staatskonzern Cnooc (China National Offshore Oil Corporation) gemeinsam quer durch Ostafrika bis zum Indischen Ozean bauen. Nach ihrer Fertigstellung, voraussichtlich im Jahr 2025, wird sie mit 1.400 Kilometern Länge die längste beheizte und mit vier Milliarden Dollar die teuerste Ölpipeline der Welt sein.
"Es ist eine Frechheit, dass Ölfirmen sich hier so unkommentiert darstellen dürfen", erklärt der Aktivist die Graffiti-Aktion. "Dass mit der Ölförderung auch Risiken für unsere Umwelt entstehen, wird hier überhaupt nicht erwähnt." Dann machen sich die Klimaprotestler aus dem Staub.
Kritik wird unterbunden
Es war ein feierlicher Staatsakt, als Ugandas Präsident Yoweri Museveni Ende Jänner am Albert-See im Westen Ugandas den Startschuss für den Bau der Pipeline gab. Die Ölprojekte sind Grundpfeiler von Musevenis Zukunftsvision einer Industrialisierung Ugandas, die der 74-jährige Präsident, der seit 37 Jahren an der Macht ist, seit Jahrzehnten verfolgt.
Das landwirtschaftlich geprägte Uganda hat eine der höchsten Geburtenraten weltweit und dementsprechend eine gewaltige Jugendarbeitslosigkeit. Dass nun ausgerechnet die junge Elite gegen die Ölförderung aufschreit, die von diesen Jobs profitieren sollte, kommt für den Präsidenten einer Majestätsbeleidigung gleich. Seitdem sind die Behörden angehalten, Kritik an den Ölprojekten zu unterbinden. Am selben Tag, als der Staatschef den Startknopf drückte, planten Umweltorganisationen eine Diskussionsrunde. Das Hotel, in dessen Konferenzraum die Veranstaltung stattfinden sollte, wurde von Polizisten belagert. Niemand durfte hinein.

Als 2006 das erste Öl entdeckt wurde, war die Welt noch eine andere. Es gab noch keine Fridays-for-Future-Bewegung und noch keine Greta Thunberg. Viele Regierungen Afrikas träumten vom Öl als Quelle von Reichtum.
Doch heute ist die junge Aktivistin Vanessa Nakate aus Uganda, die 2019 noch freitags alleine mit einem Schild auf der Hauptstraße in Kampala stand, zu einer der engsten Mitstreiterinnen Thunbergs geworden. Und auch die deutsche Lisa Neubauer hat sich den Kampf gegen die Eacop-Pipeline auf die Fahnen geschrieben. Mit ihrer Aussage "Wir planen, eine Pipeline in die Luft zu jagen" sorgte sie im vergangenen Jahr für Wirbel.
Diese Aussage machte das Regime in Uganda hellhörig. Denn mittlerweile sind nicht nur die meisten Ugander über Smartphones und Internet mit der Welt vernetzt und über den Klimawandel informiert, sondern allmählich wird nun vor Ort sichtbar, was Ölförderung im großen Stil inmitten einer bislang unerschlossenen Region mit einer reichen Artenvielfalt anrichten kann. Wo noch vor zehn Jahren Rinder weideten, gräbt nun eine ganze Armada an Schaufelbaggern die Erde um. Kaum ein Grashalm ist mehr übrig - es wirkt wie eine Mondlandschaft.
Direkt am Ufer erhebt sich auf einer Plattform der 30 Meter hohe Förderturm. Über ihn werden Röhren kilometertief unter das Seebecken gerammt, wo das Rohöl schlummert. Nur einen Steinwurf entfernt wird eine Röhre verlegt. Was an Öl gefördert wird, wird zunächst in eine Raffinerie gepumpt. Um diese Pipeline zu verlegen, fräsen weiter oben Männer mit Kettensägen eine 30 Meter breite Schneise in die Landschaft. Bäume werden gefällt, Termitenhügel abgegraben, Häuser abgerissen. Weil das Rohöl sehr zähflüssig ist, muss die Röhre stetig auf über 50 Grad erhitzt werden. Das benötigt Energie, während die Bevölkerung in den Dörfern nebenan im Dunkeln sitzt.
In die Verbannung
Eine frisch geteerte Schnellstraße führt vom Ölfeld zum geplanten Industriepark, wo neben der Raffinerie und weiteren Verarbeitungsanlagen auch ein Flughafen entsteht. Dafür wird ein 30 Quadratkilometer großes Gelände asphaltiert. 13 Dörfer mit mehr als 7.000 Einwohnern mussten weichen. Sie bekamen die Wahl: entweder Entschädigungszahlungen auf ein Konto oder ein neues Haus mit einem Acker woanders.
Diejenigen, die sich für die Umsiedelung entschieden haben, leben nun 70 Kilometer entfernt in Kyakabooga, am Ende eines holprigen Trampelpfades. Wie eine künstliche Reihenhaussiedlung inmitten einer kargen Landschaft wirkt der Ort. Etwa 50 identische Häuser stehen Tür an Tür. Rund 1.000 Menschen wurden hierher umgesiedelt, zumeist Großfamilien mit bis zu sieben Kindern. Anstatt auf ihrem weitläufigen Farmland leben sie nun dicht gedrängt. Außentoiletten befinden sich direkt neben den Außenküchen. Es wächst kein einziger Baum und kaum ein Grashalm.
"Als wir 2018 hierher zogen, waren wir alle geschockt", erinnert sich Innocent Tumwebaze. Der 30-Jährige stammt aus dem Dorf Nyahaira, wo jetzt die Landebahn asphaltiert wird. Er sitzt im blauen Poloshirt mit dem Logo seiner Organisation Orraug (Verband der Anwohner der Öl-Raffinerie) auf der Brust in einem der Häuser. "Damals gab es keine Schule, keine Gesundheitsstation, ja nicht einmal einen Brunnen", erinnert er sich. Jahrelang lungerten hunderte Kinder ohne Unterricht in der Siedlung herum. Mädchen wurden schwanger, Jungen begannen zu trinken.
Rückenwind von der EU
Orraug ist 2014 gegen Ugandas Regierung vor Gericht gezogen, das Verfahren schleppt sich seither dahin. Tumwebaze hat gemeinsam mit anderen NGOs auch gegen Total in Frankreich Klage eingereicht. Am 28. Februar wies das Gericht in Paris diese allerdings ab. Rückenwind gab es vom EU-Parlament. Im September 2022 forderte es Ugandas Regierung auf, den Bau der Pipeline zu verschieben, und tadelte die Nicht-Einhaltung der Sozialstandards bei der Umsiedlung.
Museveni entgegnete in einer Rede: "Die EU soll sich zur Hölle scheren!" Am Tag, als die EU-Resolution angenommen wurde, kam es in Kampala zu Krawallen. Vor der EU-Vertretung protestierten Ugander. NGOs und Aktivisten organisierten eine Gegendemonstration, "Menschen vor Profit" stand auf ihren T-Shirts. Die Polizei sprühte Tränengas, neun Aktivisten wurden verhaftet.
Mittlerweile wächst in Uganda eine kleine, aber immer lautere Klimabewegung, zu der auch die Aktivisten angehören, die Graffiti im Nationalmuseum sprühen. Statt mit Spruchbändern auf die Straße zu gehen und verhaftet zu werden, sind sie nun vorsichtiger. Der 32-jährige Aktivist Chrispus Mwemaho unterstützt in Westuganda Menschen, die 2021 aus ihren von Erdrutschen zerstörten Häusern fliehen mussten. Er plant ein Klima-Café zur Vernetzung für Umweltaktivisten in Uganda. Denn: "Wir müssen zusammenkommen und gemeinsam kämpfen."