Knapp 14 Jahre nach dem Absturz einer Air-France-Maschine zwischen Rio de Janeiro und Paris mit 228 Toten hat ein Pariser Gericht die Airline und Hersteller Airbus vom Verdacht der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Die Konzerne hätten zwar teils nachlässig oder unvorsichtig gehandelt, doch ein eindeutiger Kausalzusammenhang zum Unglück lasse sich nicht herstellen, sagte die Vorsitzende Richterin Sylvie Daunis am Montag. Als Ursache des Absturzes gelten vereiste Pitot-Sonden, die zur Geschwindigkeitsmessung dienen. Der Ausfall der Geräte wäre beherrschbar gewesen, allerdings soll Air France seine Piloten nicht ausreichend auf derartige Extremsituationen vorbereitet haben.
Die Daten der Flugschreiber ergaben, dass die Piloten vor allem auf Warnungen über einen Strömungsabriss an den Tragflächen - im englischen Fliegerjargon "stall" genannt - falsch reagiert hatten. Dies ließ den Jet schnell an Höhe verlieren und schließlich abstürzen. Anders als zu erwarten, schwieg die Überzieh-Warnung zwischendurch aber, als eine bestimmte Geschwindigkeit unterschritten wurde, das Flugzeug also längst nicht mehr flog, sondern nur noch durchsackte.
Die Staatsanwaltschaft sagte in ihrem Schlussplädoyer, es werde unklar bleiben, weshalb die Piloten so handelten, wie sie es taten. "Airbus und Air France konnten zu dem Zeitpunkt begründet daran glauben, dass die Ausbildung und Prozeduren hätten reichen müssen, um die Situation während des Fluges AF 447 zu meistern." Es sei ihr unmöglich gewesen, eine Schuld der Unternehmen nachzuweisen, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Man könne daher keine Verurteilung fordern. Auch Airbus und Air France hatten die Verantwortung für den Absturz stets von sich gewiesen und einen Freispruch gefordert.
Berufungsverfahren begann im Oktober
Die juristische Aufarbeitung des Unglücks zog sich in die Länge. 2019 wiesen Ermittlungsrichter ein Verfahren ab. Der Absturz sei auf eine Kombination von Elementen zurückzuführen, die noch nie vorgekommen sei. 2021 entschied ein Berufungsgericht anders und ordnete den Prozess gegen Airbus und Air France an. Das Verfahren lief von Oktober bis Anfang Dezember.
Die Air-France-Maschine des Flugs AF 447 war am 1. Juni 2009 auf dem Weg von Rio in die französische Hauptstadt von den Radarschirmen verschwunden. Für Hinterbliebene wie Bernd Gans aus Bayern, dessen Tochter Ines sich unter den Opfern befindet, wäre eine Verurteilung "völlig unerwartet" gewesen, wie er der dpa sagte. Als einer von mehr als 500 Nebenklägern kritisierte er das Plädoyer als einseitig. Bereits vor Verkündung des Urteils bewertete Gans den Prozess unabhängig von dessen Ausgang als "unheimlich wichtig".