Heuer beginnt Schawuot am Abend des 25. Mai. Schawuot ist ein biblisches Fest, das am 6. und 7. Siwan gefeiert wird. Siwan ist ein Monat des jüdischen Kalenders, der entsprechend dem Gregorianischen Kalender zwischen Mitte Mai und Anfang Juni datieren kann.

Schawuot (Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim, 1880)
Schawuot findet in den Fünf Büchern Moses - bis auf das Buch Genesis - immer wieder Erwähnung. Es ist das zweite Fest der Schalosch Regalim, der drei Wallfahrtsfeste (Schalosch = drei, Regalim = Wallfahrten). Diese drei Wallfahrtsfeste, in denen der Dank für die Ernte und die damit verbundenen Opfer-Gaben an den Ewigen im Tempel Jerusalem im Vordergrund standen, waren seit der Zeit des Talmud mit religiös-geschichtlichen Ereignissen verknüpft. Tausende Juden pilgerten nach Jerusalem, um ihre Opfergaben ("Hebe") darzubringen.
Speziell zu Pessach, dem ersten Wallfahrtsfest, und zu Sukkot, dem dritten Wallfahrtsfest war das biblische Datum auf die Mitte des jeweiligen Monats festgelegt, damit nachts die Gläubigen bei Mondschein eine bessere Orientierung hatten.
Schawuot hat mehrere Namen: Schawuot heißt "Wochenfest" ("Schawua" auf Hebräisch die "Woche"), da es sieben Wochen nach dem ersten Tag des Pessach-Festes gefeiert wird (7 x 7= 49). In Analogie sind auch die sieben Wochen zwischen dem christlichen Osterfest und dem Pfingstfest zu sehen – Schawuot ist daher der jüdische Vorläufer des christlichen Pfingstfestes. In diesen sieben Wochen findet die sogenannte "Omer-Zählung" statt. "Omer" ist ein biblisches Hohlmaß. Jeder Tag wird am Vorabend des jeweiligen Tages dieser sieben Wochen mit einem Segensspruch - mit einer Benediction - gezählt. Die Omer-Zählung endet am 49. Tag. Einen Tag später, am 50. Tag, wird Schawuot gefeiert.
Schawuot bildet den Abschluss des Pessach-Festes so wie Pfingsten den Abschluss des Oster-Festes. Zu Pessach erfolgt der Auszug der Juden aus Ägypten und damit das Ende der physischen Knechtschaft. Das Ende der psychischen Knechtschaft erfolgt zu Schawuot mit der Offenbarung am Berge Sinai, dem Erhalt der Thorah und dem Dekalog ("Zehn Gebote") gleichzeitig mit der Erwählung Israels als Volk Gottes. Daraus ergibt sich ein weiterer Name für Schawuot: "Sman matan HaTorateinu" ("Zeit des Erhalts der Thorah"). Schawuot bedeutet ethymologisch auch "Gelübde": Der Ewige gibt dem Volk Israel seine Liebe und das Volk gelobt dem Ewigen immerwährende Treue.
Eine weitere biblische Bezeichnung für Schawuot ist "Jom Habikkurim" -"Tag der Erstlinge" - (viertes Buch Moses - Numeri - auf hebräisch "Bamidbar" 28,26). "Bikkor" ist auf hebräisch der "Erstgeborene". In der Bibel wird Schawuot auch "Chag Katzir", "Fest der Ernte", genannt - "Chag" ist Fest, "Katzir" ist Ernte – (2.Buch Moses= Schemot 23,15). Der Talmud bezeichnet Schawuot mit einem 5. Namen: "Azereth" ("Abschluss"): Die Getreideernte beginnt mit Gerste zu Pessach und endet mit Weizen zu Schawuot.
Schawuot hat eine eigene Festtags-Liturgie; es wird ein mystisch-aramäisches Gebetslied nach den ersten Versen der Thorah-Lesung gesungen: "Akduma" , "Verherrlichung" des Namens des Ewigen, Lob der Schöpfung, Preisung der Vortrefflichkeit der Thorah und des Bundes des Ewigen mit dem Volke Israel.
Während der Verlesung der Zehn Gebote steht die Gemeinde und hört dem Vortragenden schweigend zu. Jeder Betende soll sich mit den Geschehnissen am Berge Sinai identifizieren, so, als ob er selbst dabei gewesen wäre. Als dem Volke Israels die Zehn Gebote und die Thorah gegeben wurden, riefen sie: "Wir tun es!" Und dann erst: "Wir hören es!" Thorah bedeutet Lehre und Weisung – die Tat verwirklicht das Gebot der Thorah.
Am zweiten Tag Schawuot (7. Siwan) – in der Diaspora werden zwei Tage gefeiert, in Israel nur ein Tag- wird im Jiskor-Gebet der Verstorbenen gedacht. Es wird am zweiten Tag auch das biblische Buch "Ruth" verlesen.
Ruth war eine Moabiterin, die bei ihrer Hochzeit zum Judentum übergetreten ist und sich nach dem Tode des Mannes um ihre jüdische Schwiegermutter gekümmert hat. Beide waren verarmt. Im Buch "Ruth" wird Bezug genommen auf den biblischen Brauch, die Ecken des Feldes nicht zu schneiden, da diese den Armen gehören (dies ist auch der Grund, dass sich orthodoxe Juden "Peijot" = Schläfenlocken wachsen lassen.
Ebenso wird das beim Transport zu Boden gefallene Getreide dem Armen überlassen. Ruht gefiel dem Fürsten Boas, denn es heißt: "Die stehenden Ähren pflückte sie stehend, und zu den gefallenen bückte sie sich." Damit sollte auf das moralisch-sittliche Verhalten von Ruth Bezug genommen werden. Der Urenkel von Ruth war König David, er wurde zu Schawuot geboren und verstarb auch zu Schawuot.
Die Thorah wird mit Milch verglichen und das Volk Israel mit einem unschuldigen Kleinkind, das diese Milch begierig trinkt. Daher gibt es symbolisch zu Schawuot nur milchige Speisen. Gläubige studieren die ganze Nacht vom 6. Auf den 7.Siwan die Thorah.
Im Ostjudentum war es üblich, dass die Großmütter aus dem Buch "Zena Werena" , einer volkstümlichen Erbauungsliteratur, den Enkelkindern die biblische Geschichte vorlasen. Es war Brauch, Synagogen, Häuser und Wohnungen zu Schawuot mit Blumen und grünen Pflanzen zu schmücken.
Jesus war Jude und verkündete, "kein Jota von der Thorah entfernen zu wollen". Daher gründen Ethik und Kultur des Abendlandes auf diesen offenbarten Geboten. In der Apostelgeschichte wird vom Heiligen Geist berichtet, der über die Apostel am 50. Tag (auf griechisch "Pentacoste" – der Begriff "Pfingsten" leitet sich von dem griechischen "Pentacoste" ab) kam, sodass die Apostel alle Sprachen verstanden und sprechen konnten. Damit war die babylonische Sprachverwirrung aufgehoben. Daher ist im Christentum das Pfingstwunder, bewirkt durch den Heiligen Geist, eine eschatologische Aufhebung der babylonischen Sprachverwirrung. Die Predigt in der Apostelgeschichte erfolgt in einer einzigen Sprache, in der Sprache, die Gott ursprünglich gegeben hatte und die durch den Turmbau von Babel weggenommen wurde. Nach der Bibel war der Verlust der gemeinsamen Sprache eine Strafe für die Hybris des Menschen, mit dem Turmbau zu Babel den Himmel erringen zu wollen.
Im Evangelischen Christentum ist Pfingsten der "Geburtstag" der Kirche. Das Christentum ist cum grano salis geprägt vom Geiste des Judentums in all seinen Wertvorstellungen und Festen. Pessach und Schawuot entsprechen in Analogie Ostern und Pfingsten, was beweist: "Ohne Judentum kein Christentum." Die Zehn Gebote und die Thorah sind Seele und Geist des Judentums. Liebe, Gerechtigkeit und Menschenwürde wurden so in die Welt gebracht.