Fabien Yene war lange unterwegs, um von Kamerun nach Europa zu gelangen. Angekommen ist er nie. Stattdessen landete er in Marokko. Von dort versuchte er wie tausende andere MigrantInnen über den meterhohen Stacheldrahtzaun in die spanische Enklave Melilla zu kommen. Vergeblich. Immer wieder wurde Yene nach Algerien abgeschoben, und immer wieder kehrte er durch die Wüste nach Marokko zurück.

"Eine wunderbare Geschichte über Freundschaft und Liebe jenseits aller Religionen und Weltanschauungen", heißt es am Buchrücken. - © Diana Verlag
"Eine wunderbare Geschichte über Freundschaft und Liebe jenseits aller Religionen und Weltanschauungen", heißt es am Buchrücken. - © Diana Verlag

Zuvor hatte Yene mit der Hilfe von Schleppern, die ihn und seine Weggefährten um viel Geld  Richtung Norden transportierten, bereits Tausende Kilometer hinter sich gebracht. Die Routen verliefen zum Teil entlang alter Karawanenrouten der Sklavenhändler durch den Tschad, durch Nigeria, Niger und schließlich durch Libyen nach Marokko.

- © Braumüller Verlag
© Braumüller Verlag

In seiner autobiografischen Erzählung "Bis an die Grenzen" schildert der Kameruner Fabien Yene seine Odyssee in Richtung Europa. Er erzählt vom Rassismus der Nordafrikaner, von den Schikanen der Polizei, der Grenzbehörden und seiner Landsleute; von der ständigen Angst vor Kontrollen und den  Überlebensstrategien. Er beschreibt die strengen Hierarchien in den Ghettos der MigrantInnen, die - je nach Herkunftsland eingeteilt - eigene Gerichte und Sprecher bestimmten. Und er zeigt wie sich viele seiner Weggefährten während ihrer Reisen veränderten, gar verrückt wurden oder böse.

- © VS Verlag für Sozialwissenschaften
© VS Verlag für Sozialwissenschaften

Auf der anderen Seite ist Yenes Erzählung auch Zeugnis von Freundschaften und Solidarität, ohne die ein Weiter- und Fortkommen wohl unmöglich gewesen wäre.

Der Tod ist immer dabei

"Bis an die Grenzen" ist in der dritten Person geschrieben, in einem teils sachlichen, teils lakonischen Ton. Yene bricht diesen jedoch mit einer besonderen Wortwahl auf: da ist die Rede von den lebenden Toten und vom Hotel Friedhof. "Wir sind tot seit dem Tag, an dem wir unser Land verlassen haben," sagt einer seiner Weggefährten. Und der Tod ist ihr ständiger Begleiter, auch dann, wenn Yene die Ruhe in den Schlepperbussen beschreibt als die Ruhe vor einer Hinrichtung. Bildhaft beschreibt er seine Weggefährten als ausgemergelt, bärtig, schmutzig, als Wesen, die nicht mehr lange zu leben hätten. Einer seiner Bekannten hatte keine Haut mehr auf den bandagierten Fußsohlen, andere wiederum waren "schwarz von der Sonne und gleichzeitig weiß vom Staub, die Lippen rissig, das Haar zerzaust wie Grasbüschel."

Angeführt wird die Erzählung von einem Vorwort der HerausgeberInnen der deutschen Ausgabe zur Entstehungsgeschichte des Buches sowie einem Prolog, in dem Yene eine Auswahl an Schicksalen von Menschen, denen er auf seiner Reise begegnete, zusammenfasst. Nach der Lektüre dieser Anfangserzählung möchte man meinen: schlimmer kann es nicht werden. Doch was dann noch kommt, zeugt vom Gegenteil.

Yenes literarische Chronik verleiht den Migrantinnen eine nachhaltige Stimme, zeigt die vielen unterschiedlichen Motivationen und Schicksale von MigrantInnen, die in Europa - wenn überhaupt - zu bloßen Zahlen degradiert werden. Und Yenes Chronik sei vor allem auch all denjenigen auf das Nachtkästchen oder an den Ohrensessel gewünscht, die für diese Menschen bloß Desinteresse und Abneigung übrig haben.