Peking. Spätestens, wenn die Straßen in den Großstädten Chinas immer leerer und Flughäfen, Bahnhöfe und Ausfahrtsstraßen immer voller werden, steht das Frühlingsfest unmittelbar vor der Tür. Das chinesische Neujahr ist der mit Abstand wichtigste Feiertag im Land, Wanderarbeiter und Migranten kehren zu ihren Familien heim und sind somit Teil der größten, regelmäßigen "Völkerwanderung" der Welt.
Das Verkehrsministerium geht davon aus, dass während der 40-tägigen Reiseperiode insgesamt 2,8 Milliarden Passagiere in China unterwegs sind. Doch bis zum eigentlichen Neujahrstag, der nach dem Mondkalender diesmal auf den 19. Februar fällt, ist nicht nur das Verkehrssystem überlastet: Auch die Kreißsäle dürften bis zum Silvesterabend Hochkonjunktur haben. Denn das Herannahen des neuen Mondjahres hat bei einigen chinesischen Paaren regelrechte Panikattacken und einen Babyboom ausgelöst.
Schafe vom Pech verfolgt?
Schuld ist an allem nur das Schaf: Der chinesische Mondkalender ist in einen zwölfjährigen Tierkreis unterteilt, wobei jedem Jahr ein bestimmtes Symbol zugewiesen ist - Affe, Hahn, Hund, Schwein, Ratte, Ochse, Tiger, Hase, Drache, Schlange, Pferd und nun eben das Schaf. Man sagt Menschen unter diesem Zeichen Freundlichkeit, Gutmütigkeit, künstlerisches Talent und Eleganz nach. Andererseits gelten sie als nachdenklich, schüchtern und pessimistisch, und überhaupt sollen sie dem Volksmund nach ein Leben lang vom Pech verfolgt sein.
Das geht natürlich gar nicht, weshalb werdende Mütter bis zum letzten Moment alles unternehmen, damit ihr Kind noch im Glück verheißenden Jahr des Pferdes auf die Welt kommt, auch mit mehr oder weniger sanftem Nachdruck, wenn es sein muss.
"Es ist ein Alptraum", stöhnt Zhai Guirong, Gynäkologin in einer Privatklinik in Peking. "Wir sind seit November komplett überlastet. Damit war zu rechnen, denn der chinesische Tierkreis hat großen Einfluss auf unsere Arbeitslast." 2012, im Jahr des Drachen, hätten viel mehr Frauen Kinder geboren als im Folgejahr der Schlange. 2014, im Jahr des Pferdes, habe es wieder eine Zunahme an Geburten gegeben. "Schwangere Frauen kamen zu mir und sagten, sie wollten ihre Babys nicht, falls sie im Jahr des Schafes zur Welt kämen." Viele Frauen würden gezielt nach einem Kaiserschnitt fragen, andere hätten diesen unbedingt am 14. Februar vornehmen wollen. Als Valentinsgeschenk für ihre Ehemänner hätten sie so zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.