Rom. Der Haussegen hängt schief im Vatikan, so viel steht kurz vor Weihnachten fest. Grund ist die neuerliche Gardinenpredigt, die Papst Franziskus den Kardinälen, Bischöfen und Prälaten der römischen Kurie drei Tage vor dem hohen Fest im Apostolischen Palast gehalten hat. Ganz einig sind sich die Betroffenen gleichwohl nicht bei der Interpretation, an wen sich der Papst exakt gewandt hat, als er von "Verschwörungen", "kleinen Zirkeln", "Ambitionen und Eitelkeiten" sprach und Teile des Kurienlebens als "Krebsgeschwür" brandmarkte. Beobachter stellten fest, dass der anschließende Handschlag des Papstes mit dem im Juli als Präfekt der Glaubenskongregation entlassenen deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller in der prächtigen Sala Clementina besonders unterkühlt ausfiel. Der ehemalige Bischof von Regensburg hatte nach seiner Entfernung aus dem Amt kaum eine Gelegenheit ausgelassen, um den Regierungsstil von Franziskus zu kritisieren.

Andere hingegen waren sich sicher, Franziskus habe eher auf die Miseren im vatikanischen Finanzsektor angespielt. Dort war im Juni der Rechnungsprüfer Libero Milone, der eine Schlüsselposition bei den Finanzreformen im Vatikan innehatte, unter mysteriösen Umständen aus dem Amt geschieden, es folgten schwere gegenseitige Vorwürfe.

In jedem Fall schaltete sich Papst Franziskus unerwartet deutlich in den vatikanischen Kleinkrieg ein, als er Kollegen anprangerte, die "Vertrauen missbrauchen oder die Mütterlichkeit der Kirche ausnutzen", sich "von Ambitionen oder Eitelkeiten korrumpieren lassen und sich selbst, wenn sie dann sanft entfernt werden, fälschlicherweise zu Märtyrern des Systems des nicht informierten Papstes der alten Garde erklären, anstatt ihr Mea Culpa zu sprechen". In der italienischen Version seiner Ansprache war in dieser Passage sogar von "Verrätern" die Rede. Kurz vor Weihnachten klang es zudem so, als habe sich auch der Papst, der im März fünf Jahre im Amt sein wird, ganz offiziell von seiner Idee einer Rosskur für die Kurie verabschiedet. "In Rom Reformen durchzuführen heißt gleichsam, die Sphinx von Ägypten mit einer Zahnbürste zu putzen", zitierte Franziskus in seiner Ansprache an die Kurie einen französischen Erzbischof. "Eines ist klar", folgerte die italienische Zeitung "Corriere della Sera" anschließend an die Rede. "Wenn wirklich Revolution auf dem Programm stand, ist sie nun archiviert."