Wien. "Mama, warum darf mich Papa nicht mehr besuchen?" Mit dieser und ähnlichen unangenehmen Fragen könnten demnächst einige Elternteile konfrontiert werden, die nach einer Trennung eine professionelle Begleitung für Besuche bei ihren Kindern in Anspruch genommen haben. Denn der Wiener Familienbund, bisher größter Anbieter dieser Serviceleistung, muss die geförderte Variante für armutsgefährdete Familien mit Jahresende aus Kostengründen einstellen. "Da bahnen sich schon Katastrophen an", schätzt Familienbund-Chefin Elisabeth Dworzak-Jungherr im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Die private Besuchsbegleitung wird weiterhin ermöglicht. Sie ist aber kostenpflichtig. Dafür müssen beim Wiener Familienbund 55 Euro pro Stunde in die Hand genommen werden, andere Vereine würden noch mehr verlangen. Dies treffe aber besonders einkommensschwache Personen, die Adressaten der Förderleistung. "Ich habe schon Elternteile erlebt, die Kredite aufgenommen haben, nur um ihre Kinder wiedersehen zu können", erzählt Dworzak-Jungherr.

Kinderstaatsanwaltschaft ortet Gefährdung des Kindeswohls


Auch die Kinder- und Jugendstaatsanwaltschaft Wien sieht die Situation kritisch und ortet eine Gefährdung des Kindeswohls, wenn der Familienbund die geförderte Besuchsbegleitung einstellt. Denn es könnte so ziemlich jeder Elternteil oder andere Familienmitglieder in die Situation kommen, diese professionelle Form der Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Dabei handelt es sich keineswegs um ein Problem von "Sozialfällen" und Familien mit Migrationshintergrund. "Nach einer Trennung kann schnell einmal ein Rosenkrieg ausbrechen. Die Emotionen gehen hoch und eine normale Gesprächsbasis ist kaum mehr möglich, insbesondere, wenn Gewalt oder Aggression im Spiel ist", so Dworzak-Jungherr vom Wiener Familienbund.

Treffen "im geschützten Rahmen und ohne Eskalation"


Bei der Besuchsbegleitung können Elternteile ihr Besuchsrecht in neutralen und kindgerechten Räumen wie dem Kontaktcafé des Familienbundes sowie in Begleitung von Sozialarbeitern in Anspruch nehmen. "Das ist privat kaum zu bewerkstelligen, denn wer findet schon jemand in seinem Umfeld, der geschult und darüber hinaus noch komplett neutral ist?", gibt die Familienbund-Chefin zu bedenken.

Die Erfahrung habe gezeigt, dass es in der Zeit vor der geregelten Besuchsbegleitung öfters zu Stalking komme. "Der Vater oder die Mutter wartet dann unangekündigt vor der Schule oder der Wohnung", fügt sie an. Würden die betreffenden Elternteile realisieren, dass sie ihre Kinder regelmäßig im geschützten Rahmen und ohne Eskalationen sehen könnten, höre solches Verhalten schlagartig auf.