Wien. Kreuzfahrtschiffe, die unbarmherzig ihre Passagiere in die Städte spucken; überfüllte Straßen wie der Graben, in denen Einheimische sich durch die Touristenmassen boxen müssen: Es ist ein zunehmend negatives Bild, das weltweit vom Massentourismus gezeichnet wird. Das zeigt sich auch in der Sprache. Overtourism, ein relativ neues Wort, macht die Runde. Auf Kongressen, medial und in der Öffentlichkeit wird über den steigenden Ansturm von Reisenden - und wie er zu bewältigen ist - debattiert.

Wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Phänomen sind bisher noch rar. Diese Lücke versuchen nun das Beraterunternehmen Roland Berger und die Österreichische Hoteliervereinigung zu schließen. Sie haben am Mittwoch in der Wiener Hofburg ihre "European City Tourism Study 2018" präsentiert, die sich mit Overtourism befasst.

52 europäische Städte - darunter Wien und Salzburg - wurden darin untersucht und verglichen. Denn die Städte leiden besonders unter dem Übertourismus: Während die Nächtigungen in den untersuchten Städten in den vergangenen zehn Jahren um 57 Prozent stiegen, nahmen sie in den untersuchten Ländern "nur" um 26 Prozent zu.

"Wir haben in Wien kein Overtourism-Problem"

Angewandt wurden in der Studie zwei Parameter: die Tourismusdichte und die Wertschöpfung. Der erste Faktor zeigt, wie viele Touristennächtigungen auf einen einheimischen Bewohner kommen. Die Wertschöpfung wird in der Studie anhand des Erlöses pro verfügbarem Zimmer in der Stadt gemessen. Die Städte werden anhand der Kriterien dann in unterschiedliche Gruppen eingeteilt.

Wien, wo die Zahlen jährlich steigen, besonders in der Adventzeit, landete in der Kategorie "Glänzende Stars". Darin befinden sich etwa auch die Städte Berlin, Düsseldorf, London, München und Rom. "Das sind Städte, wo der Tourismus gesund ist", meinte Vladimir Preveden, Managing Partner bei Roland Berger. Denn diesen Städten sei es gelungen, eine "goldene Mitte" zwischen Wertschöpfung und Tourismusdichte zu finden.

"Wir haben in Wien kein Overtourism-Problem", schloss sich Norbert Kettner, der Geschäftsführer von Wien Tourismus, an. Das liege unter anderem daran, dass Wien für vier Millionen Einwohner konzipiert worden sei. Zudem steige der Umsatz doppelt so schnell wie die Zahl der Nächtigungen, argumentierte Kettner.

Der Tourismus in Wien konzentriere sich aber auf ein kleines Zentrum in der Innenstadt; bei den Bewohnern der City brodle es angesichts der anschwellenden Massen schon gewaltig, wurde dazu kritisch aus dem Publikum angemerkt.

"Im ersten Bezirk ist der größte Nutzungsdruck", räumte Kettner ein. Von Overtourism könne aber nicht gesprochen werden. Von Problemen, die es teils in anderen Städten gebe, sei man weit entfernt. So habe Amsterdam - ein Paradies für Sauftouristen - eine Kampagne gegen das Pinkeln in der Öffentlichkeit starten müssen. "Wir gelten teilweise als recht langweilige Stadt", sagte Kettner. Das sei durchaus hilfreich.

Amsterdam ist auch neben Barcelona und Lissabon eine der Städte, die laut der Studie "unter Druck" sind. In dieser Kategorie werden Städte zusammengefasst, die eine hohe Tourismusdichte, aber nur eine mittelmäßige Wertschöpfung vereinen. Noch schlimmer ist es um die "Massenfallen" bestellt - dazu zählen Brügge, Prag, aber auch Salzburg. "Sie haben es nicht geschafft, bei steigenden Gästezahlen auch mehr Wertschöpfung zu generieren", sagte Preveden.

In Salzburg konnten 2017 pro Zimmer 78,36 Euro erzielt werden, das ist mehr als in Wien, wo es nur 73,8 Euro sind. In Salzburg wurden aber 19,6 Nächtigungen pro Einwohner verzeichnet, in Wien lag die Quote bei 8,2.

Von Alternativen und Limitierungen

Was aber kann eine Stadt gegen die Masse tun? Man müsse tourismusärmere Viertel beleben und alternative Standorte etablieren, um so die Zentren zu entlasten, heißt es in der Studie. Gezielt solle man Luxusgäste ansprechen und auf eine langfristige Tourismusstrategie und Stadtplanung setzen. Sei der Gästeansturm nicht mehr zu bewältigen, könne man Bus- und Kreuzfahrtgäste limitieren und einen Baustopp von Hotels verhängen. Ebenso müsse die "Sharing Economy", etwa Vermietungsplattformen wie Airbnb, reguliert werden.