

Dieses Gemisch kippt auch bei den Geschäften in Richtung Tourismus, meinen Anrainer. "Mich stören vor allem die scheußlichen Souvenirgeschäfte. Ein paar von denen verkaufen nur chinesisches Klumpert", beschwert sich eine Bewohnerin der Kärntner Straße. Die guten, alten Traditionsgeschäfte seien hingegen fast alle verschwunden. Man merke deutlich, dass die Anzahl der Souvenirgeschäfte in der Innenstadt gestiegen sei, sagt der Kolumnist Christian Ortner, der seit zwanzig Jahren in der Nähe des Stephansdoms wohnt. Eine "ramschige Atmosphäre" mache sich zunehmend breit. Ständig werde man mit schlechter Musik beschallt, am Boden essende Touristen seien keine Seltenheit. "Eine wirkliche Verbesserung der Lebensqualität gab es nicht."

Gleichzeitig betont Ortner auch die positiven Seiten. Denn insgesamt sei der Tourismusboom gut für die Wirtschaft. Zwar sei das Aussterben der Traditionsgeschäfte zu bedauern: "Es folgt aber der Marktlogik. Wenn der Bedarf an ihnen so groß wäre, dann würde es eben mehr geben", meint er.
Vereinzelt gibt es sie aber noch, die Traditionsgeschäfte in der Innenstadt. Besuch beim Bekleidungsgeschäft "Wilhelm Jungmann & Neffe", Albertinaplatz 3. Seit 1881 steht es hier, einst war man "k.u.k. Hoflieferant".
Auch heute noch riecht der Laden nach Geschichte. Das Mobiliar und die Deckenbemalung aus der Gründerzeit sind erhalten geblieben, Hosen und bunte Krawatte liegen auf denselben Eichentischen, die schon vor 137 Jahren hier standen. "Wir sind ein lebendes Fossil", sagt Inhaber Georg Gaugusch, der das Geschäft in vierter Generation führt. Einst habe man in Wien einen bunten Mix an kleinen Geschäften gehabt: "Sie sind interessanter als riesige Flagship-Stores, von denen es weltweit eh schon 50 gibt." Nun gehe der Trend aber in Richtung großer Flächen, wie etwa bei "Peek & Cloppenburg" in der Kärntner Straße. Dadurch würden aber alle Städte zunehmend gleich aussehen.
Gerade die Einzigartigkeit von "Wilhelm Jungmann & Neffe" sei auch dessen Erfolg. "Ich bin nicht austauschbar", sagt Gaugusch. "Wenn in einer Landschaft lauter Bäume mit weißen Blüten stehen und Sie sind der einzige Baum, der blaue Blüten hat, fallen Sie auf." Man biete keine Marken an, sondern nur individualisierte Ware, produziert in Europa. Ein Angebot, das laut Gaugusch vor allem wohlhabendere Wiener und Kunden aus Westeuropa annehmen. Vom Massentourismus profitiere er wirtschaftlich nicht: "Es sind zwar die Massen, die kommen, aber die kaufen und konsumieren nichts. Sie sind nur da."
Der Einwohnerschwund
In anderen Straßen ist in der Inneren Stadt vom Ansturm nichts zu spüren. Die Wipplingerstraße grenzt zwar an Hotspots wie dem Hohen Markt an, oft dümpelt sie aber nur vor sich hin.
"Wochentags herrscht wegen der Büros und Menschen, die Mittagessen gehen, reges Treiben. Das endet aber am Freitagnachmittag und in den Ferien", erklärt Daniela Deiss, die das Blumengeschäft Ilse Böse auf der Wipplingerstraße in dritter Generation führt. Für Touristen und Einwohner aus anderen Bezirken sei die Gegend wenig anziehend, weil es außer Esslokalen sonst nicht mehr viele Geschäfte gebe. "Touristen sehen wir höchstens, wenn sie in Bussen bei der Börse abgeladen werden und bei uns vorbei ins Zentrum huschen", sagt Deiss. Da auch viele Einwohner wegen der hohen Mieten, der fehlenden Geschäfte und Nahversorger weggezogen seien, sei die Gegend am Wochenende menschenleer.