


Während der Tourismusstrom zugenommen hat, stagniert die Einwohnerzahl in der Innenstadt seit Jahren. 16.450 Einwohner gab es zu Jahresbeginn 2018, 17.056 zählte man 2001. Ein drastischer Schwund hatte sich früher vollzogen: 1961 hatte es noch 32.243 Einwohner gegeben, 1982 waren es nur mehr 19.537.
Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) befürchtet, dass der 1. Bezirk zu einem "Freiluftmuseum und Habsburg-Disneyland" werden könnte, "wo wir nur noch Kulissen haben, sich hinter den Mauern aber kein Leben mehr abspielt". Er fordert, dass die Innere Stadt als Wohnbezirk erhalten bleibt - dazu gehöre, nicht ständig neuen Nächtigungsrekorden nachzujagen und Zahlen-Fetischismus zu betreiben. Die Abwanderung habe im 1. Bezirk bereits in einer Zeit eingesetzt, in der es kaum Tourismus in Wien gegeben habe, sagt Norbert Kettner, Geschäftsführer von Wientourismus, der Tourismus-Marketing- und Informationsagentur der Stadt Wien. Oft werde einer Zeit nachgetrauert, die es so nie gegeben habe: "Bis in die 1980er hinein war die Innenstadt eine tote Stadt. Im Wien der 60er Jahre wurde man noch beschimpft, wenn man anders ausgeschaut hat." Der Tourismus habe die Stadt lebendiger gemacht.
"Haben kein Problem"
Dass nun die Grenzen des Reisewachstums erreicht sind, verneint Kettner. Die Stadt brauche auch weiterhin ein Nächtigungsplus. "Wir haben in Wien kein Overtourism-Problem", sagt er. Wien sei für vier Millionen Einwohner konzipiert worden, auch steige der Umsatz der Beherbergungsbetriebe doppelt so schnell wie die Zahl der Nächtigungen. Seitens Wientourismus setze man bereits ausschließlich auf das Premiumsegment. "Wir haben uns aus allen Bereichen des Massentourismus zurückgezogen", sagt Kettner. So kooperiere man nicht mehr mit Busunternehmen, auch Donauschifffahrten bewerbe man nicht.
Wientourismus will sich aber für eine bessere Verteilung der Reisenden einsetzen. In einer Informationskampagne, die im Frühjahr 2019 anläuft, sollen im Ausland Begegnungsmomente mit Wienern an diversen Orten beworben werden. Treffen in Kaffeehäusern, im Böhmischen Prater oder bei den Ziegen auf der Deponie Rautenweg in der Donaustadt werden dabei sein. Bei Wiederbesuchern - und das seien 50 Prozent aller Wien-Gäste - könne die Bewerbung von Attraktionen außerhalb des Zentrums durchaus erfolgreich sein, heißt es seitens Wientourismus. Letztlich ersetze solche Werbung aber niemals ordnungspolitische Maßnahmen. Doch die Möglichkeiten, Tourismusströme global zu steuern, seien begrenzt, solange das Fliegen derart billig sei, so der Schweizer Tourismusforscher Christian Laesser (siehe das Interview unten). Neben der Limitierung von hochfrequentierten Attraktionen könne eine Stadt etwa entscheiden, Touristen weniger Wohnraum zur Verfügung zu stellen - wodurch der Preis für Reisende steige.