Wien. Eintrittsgelder für Touristen, Limits für Reisebusse, Strafen für unerwünschtes Benehmen: Immer mehr europäische Städte greifen zu harten Maßnahmen, um den Massentourismus zu beschränken. Amsterdam verlangt seit Jahresbeginn von Kreuzfahrtreisenden acht Euro pro Tag. In Venedig müssen Touristen, die keine Unterkunft gebucht haben, drei Euro "Eintritt" zahlen. 2020 soll der Preis steigen, zu Stoßzeiten will Venedig zehn Euro kassieren. "Wir wollen die Stadt verteidigen", meint Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro.
Auch in Österreich wagen betroffene Städte erste Versuche: In Salzburg müssen Reisebusse seit Juni 2018 Slots für die Zufahrt buchen, auch Hallstatt will dieses System einführen. Was ist davon zu halten? Helfen solche Maßnahmen gegen den Overtourism, den unwillkommenen Massentourismus? Darüber diskutierten Branchenvertreter und Tourismusexperten am Dienstagabend im Arcotel Wimberger in Wien.
"Wollen die Highlights sehen"
"Es sagen ja bereits viele: ,Hände weg von Venedig! Trotzdem fahren die Menschen hin", sagte Sonja Acosta-Oberleitner, Leiterin des Wien-Büros von Reiseveranstalter Eurotours. Das zeige sich ebenfalls in anderen Städten: "Barcelona ist hip. Auch wenn die Einwohner belastet werden, die Touristen kommen einfach. Sie wollen die Highlights sehen."
Einen Zutrittspreis für die Stadt hält Acosta-Oberleitner für gerechtfertigt, "wenn das Geld für die Erhaltung der historischen Stadtsubstanz verwendet wird". Dass ein Betrag von ein paar Euro die Ströme aber wesentlich beschränken werde, bezweifelte sie.
"Die Maßnahme ist sinnvoll. Die Höhe ist aber viel zu niedrig, um die Tourismusströme zu lenken", meinte auch Tourismusexperte Vladimir Preveden vom Beratungsunternehmen Roland Berger. Der Eintritt in die Albertina in Wien koste bereits 16 Euro: "Da wird auch jeder, der unbedingt Venedig sehen will, zehn Euro Eintritt zahlen." Damit es zu einer Reduzierung komme, müsse der Eintritt wohl schon bei 30 bis 50 Euro liegen, meint Preveden.
Ob Salzburgs und Hallstatts Bus-Slot-System Erfolg habe werde, hänge vor allem von der Umsetzung ab. "Es kann funktionieren, wenn man das konsequent macht", so Preveden. Zunächst müsse man sich auch hier fragen, ab welcher Höhe ein Steuerungseffekt erzielt werde. Anschließend hänge es vor allem davon ab, wie kontrolliert und wie streng gestraft werde. Eine Trendwende sei aber jedenfalls schon erkennbar: "Vor ein, zwei Jahren war das noch undenkbar. Da hat es geheißen: Der Tourismus kann nicht begrenzt werden."
"Muss anders reguliert werden"
Von einer "Verzweiflungsmaßnahme" Venedigs sprach Norbert Kettner, Geschäftsführer des WienTourismus. Die Eintrittsgelder seien eine nicht wünschenswerte Einschränkung des öffentlichen Raumes. "Das muss man auf anderem Weg regulieren." Dass Overtourism auch für Wien zum Problem werden könnte, weist Kettner zurück. Wien verzeichnete 2018 mit 16,5 Millionen Gästenächtigungen erneut einen Rekord. Auch bei Tagestouristen wird die Stadt immer beliebter. Wien sei für vier Millionen Einwohner konzipiert worden, es gebe weit mehr Platz als in anderen Städten, so Kettner. Zudem steige der Umsatz deutlich schneller als die Zahl der Nächtigungen.
Dem schloss sich auch Acosta-Oberleitner an: "Overtourism ist in Wien kein großes Thema." Punktuell sieht sie aber Verbesserungsbedarf - etwa in der Adventzeit, wenn besonders viele Tagestouristen aus den Nachbarländern nach Wien kommen und etwa die Zweierlinie verstopfen. "Das kann man noch besser steuern und strukturieren."