Wien. Wir schreiben den 18. Jänner 1469: Papst Paul II. errichtet mittels der Bulle "In suprema dignitatis specula" die Bistümer Wien und Wiener Neustadt. Das - als extrem arm geltende und jahrzehntelang nur von Administratoren verwaltete - Bistum Wien umfasst nur das damalige Stadtgebiet und reicht im Süden bis Mödling.
550 Jahre später sieht die Landkarte ganz anders aus: 1722 ist Wien von Papst Innozenz III. zur Erzdiözese erhoben worden, 1729 sind die Pfarren des Distrikts "Unter dem Wienerwald" zwischen Wien und Wiener Neustadt dazugekommen, 1784 hat Kaiser Joseph II. die Mutterdiözese Passau zum Verzicht auf die Pfarren im niederösterreichischen Distrikt "Unter dem Manhartsberg" nördlich von Wien gezwungen, außerdem ist 1785 das Bistum Wiener Neustadt aufgelöst worden. Die durch diese Zuwächse massiv vergrößerte Erzdiözese Wien muss seitdem "die Quadratur des Kreises hinbekommen", wie es der Wiener Pastoralamtsleiter Markus Beranek ausdrückt.
"Gründung der Vikariate war sehr positiv und zielführend"
Dabei habe eine Strukturreform im Jahr 1969 massiv geholfen: Damals wurde die Erzdiözese Wien in drei Vikariate aufgeteilt (siehe Grafik). 50 Jahre später ist die Bilanz positiv, und zwar nicht nur seitens der Kirchenspitze, sondern auch bei den Priestern, die in diesen neuen Strukturen gearbeitet haben. So meint etwa Fritz Koren, der 1970 zum Priester geweiht wurde und vor eineinhalb Jahren als Pfarrer und Dechant im 20. Bezirk in Pension gegangen ist: "Die Gründung der Vikariate war sehr positiv und zielführend. Es ist ja eine riesige Diözese mit unterschiedlichen Strukturen - im Norden reine Agrarkultur, im Süden Industrie, dazwischen die Großstadt -, die auch verschiedene Formen der Seelsorge brauchen." Die Aufbauphase der Vikariate sei sehr gut gelaufen, erinnert sich Koren. "Man brauchte nun nicht mehr diözesanweit zu denken, sondern konnte sich auf die jeweiligen Eigenheiten der Vikariate konzentrieren. Das hat sich auch in der Seelsorge widergespiegelt."
Neue Rollenbilder in der katholischen Priesterschaft
Im Rückblick stellt der Altpfarrer fest, dass sich im Laufe seines langen Priesterlebens in Wien die Rolle der Seelsorger verändert hat: "Am Anfang haben die Priester die Pfarre geleitet. Damals gab es noch gar keinen Pfarrgemeinderat, sondern nur einen Kirchenrat, der aber bloß fürs Finanzielle zuständig war. Entschieden hat aber alles der Pfarrer." Auch, weil den Priestern früher eingeredet worden sei, sie wären etwas Besseres - "aber sie sollen im Gegenteil Diener der Gemeinde sein". Daher findet er es "herzerfrischend, wie Papst Franziskus heute den Klerikalismus anprangert; das hat man von einem Papst noch nie gehört."