Wien. Es beginnt meist mit einer Künette - einem Ausgrabungsschacht - und kann mit einem weiteren Puzzelstein der römischen Geschichte Wiens enden. So wie in der Naglergasse, wo im Mai nach einem Gasgebrechen Fundamentsteine des Tores des Legionslagers Vindobona ausgegraben wurden. Diese Woche folgte ein weiterer Sensationsfund. Bei der Verlegung einer Fernkälteleitung wurden Reste einer römischen Kaserne und Fußbodenfragemente eines Offizierhauses entdeckt. Alles reiner Zufall? Stadtarchäologe Martin Mosser berichtet über die Funde.
"Wiener Zeitung":Im Zuge von Bauarbeiten im Bereich Bognergasse/Seitzergasse wurden Reste von Mannschaftsunterkünften von Legionssoldaten und ein Centurionenquartier - das Haus eines römischen Offiziers - freigelegt. Haben Sie damit gerechnet, Teile einer
römischen Kaserne zu finden?
Martin Mosser: Aufgrund der Grabungen entlang der Bognergasse und Am Hof hatten wir Anhaltspunkte. Ein Legionslager hat eine klar vorgegebene Struktur. Dadurch konnten wir vor einiger Zeit römische Kasernen rekonstruieren. Die Rekonstruktion hat sich als richtig herausgestellt.
Was haben Sie gefunden?
Wir haben die Außenmauer der benachbarten Kaserne sowie die Außenmauer des Centurionenquartiers, Fußböden und mehrere Innenmauern ausgegraben. Die Fernkälteleitung führt mitten durch eine Kaserne. Der Centurio bewohnte mit seiner Familie und seinen Sklaven ein etwa 200 Quadratmeter großes Gebäude. An dieses Haus waren 8 bis 15 Unterkünfte für Legionsoldaten angeschlossen, wobei sich jeweils acht Soldaten einen 50 Quadratmeter großen Wohnbereich teilen mussten. Jetzt können wir die Raumstruktur des Hauses rekonstruieren. Das konnten wir bisher nicht machen, da wir erst zum zweiten Mal die Gelegenheit hatten, auf ein Centurionenquartier zu stoßen.
Im Legionslager Vindobona gab es an die 60 Kasernen. Wie kann man sich den Alltag vorstellen?
Die Kasernen mit je 80 bis 100 Soldaten wurden von Tribunen oder Centurionen geleitet. Der oberste Kommandant war der Legionslegat, der im Praetorium stationiert war. Es gab eine Reihe von Gebäuden wie Tribunenhäuser, die Häuser der obersten Offiziere des Lagers. Was zum römischen Standard gehört hat, waren eine große Thermenanlage für Soldaten und Offiziere sowie ein Lazarett der römischen Armee - das Valetudinarium. Im Kommandogebäude, den Principia, ungefähr in der Mitte des Lagers, waren die Fahnen und die Feldzeichen der Legion aufgestellt. Es gab Sondergebäude wie die Fabricae, das waren Werkstätten. Teile davon haben wir 2002 Am Hof ausgegraben.