
Wien. Im zweiten Stock des Gerngross herrscht Gartenflair. Die Wand in der konsumfreien Zone des Kaufhauses ist von hohen Plastikpflanzen gesäumt und der Boden teilweise mit Kunstrasen ausgelegt. In den aufgestellten Gartenmöbeln suchen üblicherweise Erholungswillige eine Verschnaufpause vom Alltagsstress. Doch donnerstags und freitags ändert sich etwas. Dann stehen hier von 10 bis 18 Uhr drei metallene Regale, vollgefüllt mit Büchern, CDs, DVDs und Zeitschriften. Pop-up-Bücherei nennt sich das Ganze und soll Menschen dazu einladen, wieder einmal zu lesen.
Erschöpft lässt sich eine junge Mutter in einen der Gartensessel fallen. Die Tochter stellt ihren Roller ab und folgt zielsicher dem Wegweiser, der zur "Kids Area" führt. Mama lehnt sich hingegen zurück, tippt in ihr Handy und schenkt der Umgebung nicht mehr weiter Beachtung.
Bücher aus Kindheitstagen wiederentdecken
"Viele Leute kommen nur her, um sich auszuruhen, aber manche sind wirklich an unserem Projekt interessiert", sagt Magdalena Schneider. Die Bibliothekarin leitet das Pop-up-Projekt der Büchereien Wien. Der Gerngross habe die Chill-out Area schon seit Jänner den Besuchern zur Verfügung gestellt. Es wurde entschieden, diese übers ganze Jahr anzubieten. Um dem Ganzen dann aber auch eine inhaltliche, kulturelle und bildende Komponente zu verschaffen, wurden vom Gerngross in Folge die Büchereien Wien zur Mitgestaltung an Land gezogen.
Die Kinderecke beginnt sich allmählich zu füllen. Vor allem die Eisenbahn ist der Hit bei den Kleinen. Die Mütter schmökern unterdessen. Eine sitzt im Schneidersitz neben der Kinderecke und zieht Klassiker wie "Hanni und Nanni", "Fünf Freunde" und "Drei Fragezeichen" aus dem Regal. "Wir beobachten öfters Eltern, die durch ihre Kinder wieder den Zugang zu Büchern finden, die sie in deren Alter früher gelesen haben", sagt Schneider. Aber es gibt natürlich nicht nur Kinderliteratur.
1000 Medien stehen zur Verfügung
Die Büchereien Wien haben aus ihrem Bestand jene Medien ausgewählt, von denen sie sicher sind, dass es die Leute interessiert. "Aktuelle Bücher, Sachbücher im Erwachsenenbereich, aber natürlich auch Lesefutter wie Krimis und Romane stellen wir hier aus", erklärt Schneider. Zudem sind Reiseliteratur und Biografien in den Bücherregalen zu finden.
Insgesamt werden hier 1000 Medien präsentiert. Mit einer gültigen Büchereikarte kann man sowohl beim Pop-up-Stand als auch in allen 40 weiteren Standorten der Büchereien Wien Bücher entlehnen. Ohne diese Karte kann man dennoch in Büchern schmökern, allerdings diese nicht mit nach Hause nehmen. Deshalb kann man sich direkt beim Pop-up-Standort eine Karte erstellen lassen. Eines der Ziele des Projekts sei, Menschen zu erreichen, die normalerweise keinen Fuß über eine Büchereischwelle setzen würden.
Veranstaltungen von Lesungen bis Schulhilfen
Neben dem Ausleihen von Büchern werden auch verschiedene Veranstaltungsprogramme angeboten. Von Lesungen und Workshops bis hin zu wissenschaftlichen Schulungen ist für fast jede Altersgruppe etwas dabei. Die angebotenen Veranstaltungen sind allesamt kostenlos. Mit im Programm ist am 8. August ein Bilderbuchkino, am 30. August eine E-Book-Sprechstunde und ab Herbst werden - rechtzeitig zum Schulstart - Sprechstunden für Vorwissenschaftliche Arbeiten angeboten.
Das Pop-up-Projekt wird noch bis Dezember im Gerngross seinen Platz haben. Jetzt werde man erst einmal Erfahrungen sammeln, sagt Schneider. Danach sei geplant, woanders in der Stadt Wien wieder aufzupoppen. Wo das sein wird, stehe derzeit aber noch in den Sternen: "Vielleicht im Freien, vielleicht im Museum, keine Ahnung", lacht die junge Konzeptionistin. Aber eines weiß sie schon jetzt: "Wir poppen auf bis 18 Uhr und dann sind wir wieder weg."
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