Wien. War es Sterbehilfe, ein würdevoller Tod, ein Mord, eine Tötung auf Verlangen? Diverse Begriffe schwirren am Mittwoch im Wiener Straflandesgericht umher, um einen Vorfall zu beschreiben, der sich am 6. April 2018 im AKH zugetragen hat: Frau E. riss ihrem 70-jährigen Lebensgefährten, der sich im künstlichen Tiefschlag befand und nur noch wenige Stunden zu leben hatte, die lebenserhaltenden Schläuche vom Körper.

Für die Staatsanwaltschaft Wien ist klar: Das war ein Mord. Ein "außergewöhnlicher Mord", wie Staatsanwalt Martin Ortner ausführt. Es handle sich keineswegs um einen Mord, sondern um eine Tötung auf Verlangen, kontert Verteidiger Gunter Gahleitner. Denn der Lebensgefährte habe Frau E. gebeten, in Würde sterben zu können: "Sie hat dem Wunsch ihres geliebten Mannes entsprochen." Ob sie der Mordanklage oder der Auslegung des Verteidigers folgen, darüber haben nun acht Geschworene zu entscheiden.

Gesundheitliche Probleme

Die 53-jährige E. und der Mann waren seit 2011 ein Paar. Seine Gesundheit war seit längerem belastet. Zwei Herzinfarkte überlebte er, er litt an einer Lungenfunktionsstörung und hatte bereits eine Nierentransplantation. Zudem saß er zuletzt im Rollstuhl. Im März 2018 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand aufgrund einer Lungenentzündung. Er kam ins AKH, Anfang April wurde er in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt.

Am 6. April kontaktierte eine Ärztin Frau E. Sie teilte ihr mit, dass der Mann im Sterben liegt. Die Frau begab sich ins Spital und trank unterdessen immer wieder Wodka. Auf der Station klärte sie die Ärztin nochmals über den dramatischen Zustand des Mannes auf. "Bleib auf, bleib wach, geh nicht!", schrie sie. Als sie unbeaufsichtigt bei ihrem Partner im Zimmer war, riss sie die lebenserhaltende Intubation und den zentralen Dialysekatheter - die Schläuche waren teils in der Haut des Mannes eingenäht - von seinem Körper weg, auch die Magensonde entfernte sie. Um das zu bewerkstelligen, war laut Gutachtern einiges an Gewalt nötig.

Als der Alarm ertönte, spritzte Blut aus den Wunden des Mannes. E. hielt den Sterbenden in einem Arm, den Dialysekatheter in der anderen Hand. Er starb fünf Minuten später an einem Herz-Kreislaufversagen. E. flüchtete, sie wurde in ihrer Wohnung festgenommen.

"Ich habe Sterbehilfe geleistet", sagt sie vor Gericht. Jahrelang habe sie ihr Partner immer wieder gebeten, dass sie ihm im Fall des Falls Sterbehilfe leiste, damit er in Würde sterben könne. Sie habe ihm versprochen, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Ende März 2018, als er noch ansprechbar war, habe er im Spital zu ihr gesagt: "Ich glaube, ich schaffe es dieses Mal nicht mehr. Ich springe auf die Medikamente nicht an." Er habe sie auch erinnert: "Es geht zu Ende, bitte denk daran, was du versprochen hast."