Vor 46 Jahren wurde die Autofahrerwelt nachhaltig erschüttert. Am 14. Jänner 1974 trat die sogenannte Pickerlverordnung in Kraft. Diese besagte, dass jeder Autofahrer einen Wochentag selbst bestimmte, an dem sein Fahrzeug nicht in Betrieb genommen werden durfte . Pickerl mit der Aufschrift "MO", "DI", "MI", "DO", "FR", "SA" oder "SO", die für den jeweiligen Wochentag standen, mussten an der Windschutzscheibe des hauseigenen Boliden angebracht werden. Der fahrbare Untersatz durfte dann am entsprechenden Tag ohne Verwaltungsstrafe nicht einmal bewegt werden. Aber es wäre nicht Wien und Österreich, wenn nicht sofort ein Run auf begehrte Ausnahmegenehmigungen eingesetzt hätte.
Zuständig für alles rund um den selbst gewählten und letztlich doch zwangsverordneten autofreien Tag war der Energieminister. Das war damals ein gewisser Josef Staribacher, in der Regierung zuständig für Handel, Gewerbe und Industrie. Er sollte 1983 als längstdienender Handelsminister Österreichs abtreten und begleitete den mit absoluter Mehrheit regierenden SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky von 1970 bis 1983 bis zum letzten Tag als Kabinettsmitglied. Staribachers von Historikern rund um Oliver Rathkolb aufgearbeitete Tagebücher aus dieser Zeit werden demnächst veröffentlicht. Der Handelsminister als Vertrauensmann der Gewerkschaft und sein Chef Kreisky waren öfters nicht einer Meinung. Als der konsequente Alkoholgegner Staribacher im Rahmen eines Staatsbesuchs in der UdSSR Wodka ablehnte und "einen Apfelsaft" verlangte, bekam er sogar einmal einen öffentlichen Rüffel vom Kanzler: "Stari, das ist ja wohl der Gipfel der Geschmacklosigkeit", meinte der gelernte Diplomat und Großbürger Kreisky.
Der "Stari" war aber wegen seiner Unkompliziertheit, seiner sprichwörtlichen Bescheidenheit und seines Witzes extrem populär. Er wurde mit mehr als 40 registrierten Spitznamen bedacht. Und die Österreicher schienen dem Energieminister wegen der Autopickerl auch gar nicht lange und wirklich böse. Sie verpassten ihm nach einer kurzen Zeit des Zähneknirschens einfach einen neuen Kosenamen: "Pickerl-Pepi". Staribacher stellte sich in der Folge im internationalen Kontakt - vor allem mit deutschen Partnern - so vor: "In Österreich bin ich der Pickerl-Pepi, bei euch sagt man aber wohl Etiketten-Josef."
Von der mehr oder weniger friktionsfreien Einführung eines autofreien Tages können Grün-Politiker heute wohl nur träumen. 1974 ging es bei der Maßnahme auch nicht um Klimaschutz: Nach dem Yom-Kippur-Krieg 1973 zwischen Israel und seinen Nachbarn drehten die Araber dem Westen den Ölhahn zu. Die Benzinpreise explodierten in kürzester Zeit. Für eine durchschnittliche Tankfüllung musste man plötzlich um 100 Schilling (heute rund 7,30 Euro) mehr bezahlen. Der Kanzler empfahl daraufhin Österreichs Männern statt der Elektro- die Nassrasur - bis ihm jemand sagte, dass auch die Aufbereitung von Warmwasser nicht wenig Energie koste.
Nach etwa vier Wochen wurden die radikalen Schritte wie das Pickerl wieder ausgesetzt. Eine Maßnahme jedoch, von der wir auch dieser Tage bald wieder profitieren, blieb seit damals bestehen: die wohl schon ersehnten "Energieferien" im Februar.