Eine 70-Jährige, die einen Lehrer in anonymen Briefen als Kinderschänder bezichtigt hatte, wurde wegen Verleumdung zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt (das Urteil ist nicht rechtskräftig). Die Pensionistin unterstellte einem Nachbarn, er würde seine elfjährige Tochter mit Porno-Videos aufklären und deren Mitschülerinnen sexuell belästigen. Ihre anonymen Briefe an den Stadtschulrat, die Kinder- und Jugendhilfe (MA11) und die Erzdiözese bewirkten, dass die MA11 die Tochter vorlud und dazu befragte. Nach Ermittlungen der Kriminalpolizei stellte sich die Haltlosigkeit der Verdächtigungen heraus. Eine geladene Zeugin (56) gab zu, die Briefe auf Wunsch der Angeklagten gegen Bezahlung verfasst zu haben. Auf die 56-Jährige kommt nun ebenfalls ein Strafverfahren wegen Verleumdung zu. Die 70-Jährige dürfte seit vielen Jahren Nachbarn terrorisieren, weil die zentrale Mülltonnen-Sammelstelle sich vor ihrer Parzelle befindet und Versuche, diese zu verlegen, fehlgeschlagen sind.

Die Angeklagte - von Verteidigerin Astrid Wagner tatkräftig unterstützt - behauptete vor Richter Peter Sampt: "Ich hab' damit überhaupt nichts zu tun." Sie kenne den Mann nur flüchtig vom Sehen und habe mit diesem nie Streitigkeiten ausgetragen. Es gebe daher kein Motiv, warum sie über ihn tatsachenwidrige Behauptungen verbreiten hätte sollen.
Eine als Zeugin geladene gute Bekannte der Angeklagten - die beiden verbindet eine "Hunde- und Turnfreundschaft", wie die 56 Jahre alte Frau erklärte - gab zu, auf Bitte und in Anwesenheit der Angeklagten die Briefe verfasst zu haben. Sie sei von dieser dafür auch bezahlt worden und habe 100 Euro pro Schreiben kassiert.
"Sie hat mich um Hilfe gebeten", gab die Zeugin zu Protokoll. Sie habe sich darauf eingelassen, "weil ich das Ausmaß nicht erkannt habe. Ich habe einen Fehler gemacht".
"Weil ich ein Trottel bin, habe ich das gemacht"
Den Ausführungen der 56-Jährigen zufolge, denen die Angeklagte mit versteinerter Miene folgte, wurden die Briefe in einem Internet-Cafe fabriziert. Sie habe sie abgetippt, weil sich die Angeklagte in der Schreibweise unsicher gewesen sei: "Sie wollte es nicht machen. Ich wurde nur benützt in meiner gutmütigen Art. Weil ich ein Trottel bin, habe ich das gemacht."
Auf die Frage des Richters, warum sie sich jetzt offenbare, erwiderte die 56-Jährige: "Ich kann seit diesem Zeitpunkt nicht mehr schlafen. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Ich bin fix und fertig." Auf die Frau kommt nun ebenfalls ein Strafverfahren wegen Verleumdung zu. Sie nannte auch das Motiv, weshalb die 70-Jährige gegen den Mann vorgegangen sei: "Sie wollte den anderen was auswischen."
Wie aus weiteren Zeugenaussagen hervorging, dürfte die 70-Jährige in der Kleingarten-Anlage seit vielen Jahren Nachbarn terrorisieren, weil die zentrale Mülltonnen-Sammelstelle sich ausgerechnet vor ihrer Parzelle befindet und Versuche, diese zu verlegen, fehlgeschlagen sind. Seither soll sie Nachbarn beschimpfen und schon über mehrere Personen haltlose Gerüchte verbreitet haben.
Am Ende hatte der Richter keinen Zweifel an der Täterschaft der Angeklagten, die nach dem Zeugenauftritt ihrer Freundin behauptet hatte, diese habe sich "mit den anderen" gegen sie verschworen und sage die Unwahrheit. "Sie sind eindeutig schuldig", beschied der Richter der 70-Jährigen und nannte ihr Vorgehen "menschlich verwerflich". Die Verteidigerin legte gegen die Verurteilung umgehend Rechtsmittel ein.