Die Immobilienbranche rechnet mit einem baldigen Aufschwung in Wien. Allerdings werden davon nicht alle profitieren. Bereits vor der Corona-Krise begannen nach Jahren des bedingungslosen Booms Luxus- und Mittelklasse in der Immobilienbranche auseinanderzuklaffen. Wohnungen in schlechteren Lagen konnten preislich mit dem Rest nicht mehr mitziehen. Diese Kluft wird nun deutlicher, erklären Experten im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
"Wer eine Wohnung in schlechter Lage hat, sollte sich von dem Gedanken an Spitzenpreise verabschieden", sagt Georg Spiegelfeld. Der Präsident der Maklervereinigung Immobilienring Österreich ist überzeugt davon, dass die Preise in dem Sektor fallen werden. Das gelte auch für durchschnittliche Wohnungen "bis 120 Quadratmeter und einem Quadratmeterpreis zwischen 4000 und 7000 Euro". Das, obwohl die Branche eigentlich von einem Aufschwung ausgeht. "Wir rechnen damit, dass jetzt mehr Leute in Immobilieneigentum investieren werden", erklärt Michael Pisecky, Obmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wiener Wirtschaftskammer. Mit verantwortlich ist in beiden Fällen die Corona-Krise.
Der unerträgliche Student bekommt eine Wohnung
"Die Krise hat gezeigt, wie wichtig Eigentum ist. Denn wenn da zu den Betriebskosten noch die Miete hinzukommt, habe ich ein Problem", sagt Spiegelfeld. Doch nicht nur der Vorsorgegedanke trägt zum Aufschwung bei, auch die während der Krise gemachten Erfahrungen. "Die Krise könnte einigen vor Augen führen, dass sie eine weitere Wohnung brauchen. Vielen ist es zu eng geworden: Die 25-jährigen Studentenkinder sind unerträglich und bekommen eine eigene Wohnung. Auch die Scheidungsrate wird ein Thema sein. Gleichzeitig ist der Wunsch nach Balkon, Terrasse und Garten ein ganz großer."
Allerdings bedeutet die Krise natürlich auch, dass viele Menschen in Folge weniger Geld zur Verfügung haben. Von daher rühren unter anderem die erwarteten Einbußen im Durchschnittsbereich. Das wird sich auch auf den Mietmarkt auswirken. "Es wird jetzt so sein, dass viele Menschen - hoffentlich nur vorübergehend - ein geringeres Einkommen haben werden. Das wird sicher einen Preisdruck bei den Mieten bringen; vor allem außerhalb des Gürtels bei neuen freifinanzierten Wohnungen, die einander ähneln", sagt Pisecky.
Kein Druck auf Mietpreise durch Airbnb
Dass Airbnb-Wohnungen die Mietpreise drücken könnten, glauben beide Experten nicht. Aufgrund des ausbleibenden Tourismus bei laufenden Betriebskosten dürfte ja manch ein Eigentümer von Feriendomizilen versucht sein, seine Stadtwohnung vorerst zu vermieten. "Viele Airbnb-Wohnungen befinden sich in sehr guten und zentralen Lagen. Wenn die auf den Mietmarkt kommen, wird das den Markt nicht drücken, denn viele werden froh sein, wenn sie eine dieser Wohnungen ergattern können", sagt Pisecky. Auch Spiegelfeld ist überzeugt: "Wenn die Wohnungen zu einem vernünftigen Preis auf den Markt kommen, werden die schnell absorbiert werden."
Generell seien kleine "Wohnungen bis 50 Quadratmeter ohnedies stets gefragt, so Spiegelfeld: "4000 bis 6000 Euro pro Quadratmeter, 300.000 Euro: Das ist so ein Betrag, den Menschen geerbt oder gespart haben oder in Raten abzahlen können." Ebenso unproblematisch bleibe das Spitzensegment. "Luxusobjekte mit toller Lage und 10 bis 15.000 Euro den Quadratmeter wie beispielsweise im ersten Bezirk werden immer einen guten Abnehmer finden, auch wenn sie länger im Verkauf brauchen."
Büroimmobilien
werden sich verändern
Nachhaltig verändern dürfte sich Pisecky und Spiegelfeld zufolge der Büromarkt durch die Corona-Krise. "Mittelfristig werden die Büromieter ihre Flächen optimieren. Der Anteil an Homeoffice wird steigen, wodurch der Büroflächenbedarf von jedem einzelnen Mieter entweder nicht expandiert oder reduziert wird" erklärt Pisecky. Für den Bestand sieht er zwar kein Problem. Immerhin habe Wien einen sehr geringen Leerstand und, international gesehen, ein sehr günstiges Preisniveau. Es werde allerdings auf den den Neuflächenbedarf Auswirkungen geben.
Auch Spiegelfeld erwartet Umstellungen im Büro. "Bis jetzt hatte man einen großen Besprechungstisch mit Sesseln nebeneinander und hat noch weitere Teilnehmer hineinquetschen können. Das wird es in Zukunft nicht geben. Ich brauche ja einen Meter Abstand zum Gesprächspartner. Das wird uns noch lange begleiten, denn die Krankheit ist ja nicht auf einmal weg." Die Arbeit werde sich mehr in Richtung Meetings entwickeln: "Ich habe dann im Büro nicht mehr Bürotische, sondern Meeting Areas mit Sofas." In der Kundenbetreuung werden diese künftig mit allen Mitteln der Technik informiert werden. Doch bei allen Neuerung werden Kernelemente bleiben, wie Spiegelfeld aus eigener Erfahrung, weiß: "Die persönliche Betreuung und Besichtigung werden immer der wesentliche Auftrag für den Makler sein."