Vor der Wiener Oper war auch schon mal mehr los. Vor allem dann, wenn man dem überfüllten 2er entsteigt und sich vor der Wiener Oper plötzlich in totaler Leere wiederfindet... wo einem mittlerweile nicht einmal mehr als Mozart verkleidete Kartenkeiler begegnen.
Das Entree in die Wiener Innenstadt ist verwaist. Oder, um es salopp zu formulieren: Es ist nix los im ersten Hieb. Ein Polizeiauto parkt verwaltungswidrig mitten am Gehsteig von der Oper, an der elendiglichen Fußgängerampel, die am Beginn der Kärntner Straße ansonsten viele zur Weißglut bringt, gibt es selbst beim motorisierten Individualverkehr keinen Stau.
Genau in dem Grätzel gibt es seit Lockerung der ersten Ausgangsbeschränkungen einen neuen Shop, der an sich eine gute Idee hatte: Man verkauft dort Masken, Fieberthermometer, Handschuhe und Desinfektionsmittel. Das Problem dabei: Die "Hütte" wird hartnäckigst ignoriert. Der Mitgesellschafter verweist im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" nicht ohne Stolz auf eine Dependance auf der Mariahilfer Straße, die man etwa zeitgleich eröffnet hätte. Nur: Die Menschen würden einfach dran vorbeilaufen, sagt der Co-Geschäftsführer. Absurderweise deshalb, weil offenbar niemand eine gesteigerte Lust darauf verspüre, sich beim Betreten eines Ladenlokals, das Masken verkauft, die Maske ins Gesicht zu hieven.
Ein paar Meter weiter dann ein vergleichsweise alteingesessenes Messergeschäft. Der Geschäftsführer ist nicht da, die Verkäuferinnen wollen nicht erzählen, wie die Dinge so laufen. Müssen sie auch nicht, man sieht es eh. Es ist nichts los.
Je näher man dem Stephansdom kommt, desto mehr Leute sind auf der Straße. Aber eben nur auf der Straße, denn in den Geschäften selbst herrscht Ebbe. Man sieht auch kaum Menschen mit Einkaufssackerln. Da wird nicht konsumiert, da wird bestenfalls flaniert.
"Alle gehen
hier vorbei"
Im Souvenirladen vis-à-vis von "Mostly Mozart", der übrigens ebenfalls nicht sonderlich stark frequentiert wird, sitzt der zwischenzeitlich engagierte Verkäufer und nuschelt irgendwas von wegen "alle gehen hier vorbei" in seine vorbildlich angebrachte Maske.
Am Stephansplatz selbst stehen Menschen, darunter durchaus auch Touristen, die nicht so genau wissen, was sie mit dem angebrochenen Nachmittag anfangen sollen. Lokale haben ja noch keine offen, und die paar Parkbankerln, die es in der Wiener Innenstadt gibt, sind gut besucht. Bei der Buchhandlung Frick am Graben meint man, dass man jetzt auf die Öffnung der Gastronomie hoffe. Man sei hier auf Laufkundschaft angewiesen, also Touristen und Menschen, die beruflich im ersten Bezirk zu tun haben. Beides wäre derzeit dünn gesät.
In der Parfümerie nebenan reicht der Besucherandrang immerhin dafür aus, dass gleich zwei Ehemänner draußen warten müssen. Sie nehmen es mit Humor, sagen sie. Was sonst. Meinl am Graben: Es gibt keinerlei Gesichtsmaskenkontrollen und keinerlei Desinfektionsstationen. Das Haus ist gut besucht. Gekauft werden ansehnlich verpackte Mitbringsel. Auch am Kohlmarkt ein ähnliches Bild. Viele Menschen, aber kaum einer mit einer Einkaufstasche.
Bei der Wirtschaftskammer beobachtet man derlei Entwicklungen mit Sorge: "Die Situation im 1. Bezirk ist nicht gut", sagt Rainer Trefelik, Spartenobmann für Handel bei der Wirtschaftskammer Wien. "Es macht halt schon einen Unterschied, wenn man von Frequenzzahlen oder von Umsatzzahlen ausgeht", sagt er.
Viel los bedeutet nicht
gleich viel Umsatz
Was er damit meint: Viel los bedeutet nicht gleich viel Umsatz. Szenenwechsel. Die von den Wienern immer noch liebevoll "Mahü" genannte Einkaufsstraße gleicht mittlerweile immer mehr einer kaugummiartig in die Länge gezogenen Lugner- oder Millenniumcity. Hier, an der Grenze zwischen 6. und 7. Bezirk, herrscht dichtes Gedränge. Hier gehen die Teenager shoppen. Da werden bereitwillig beide Arme in Richtung Security gestreckt, nur bekommt man dort statt eines Club-Stempels eine Besprühung mit Desinfektionsmittel. Für die heimische Wirtschaft bringt derlei Enthusiasmus freilich kaum was, auch wenn man bei der Wiener Wirtschaftskammer auf die zusätzlichen Arbeitsplätze, die diese Global Player zumindest liefern, verweist. Eines sei jedoch jetzt schon sicher: Man müsse die heimische Wirtschaft stärken. Sonst würde es auf den Wiener Einkaufsstraßen ab Herbst tatsächlich trist aussehen. Tatsächlich?