Es war mehr die Demonstration einer breiten Allianz aus den Bezirken Simmering, Liesing, Floridsdorf und Donaustadt und der rot-pinken Stadtregierung, als ein konkretes Konzept: Am Mittwoch verkündete Verkehrsstadträtin Ulli Sima die Ausweitung des Parkpickerls auf ganz Wien. Bis zum Sommer prüfen MA18 (Stadtentwicklung und Stadtplanung) und MA46 (Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten) die Auswirkungen der dieser Erweiterung. "Wenn dann alle Daten am Tisch liegen, sollen dann schnell Beschlüsse folgen", meinte Sima. Eine Umsetzung noch heuer scheint allerdings unrealistisch zu sein.

Wie genau die neue Regelung aussehen soll, konnten die anwesenden Stadtregierungsmitglieder und Bezirksvorsteher nicht beantworten – nur so viel, dass am bestehenden System festgehalten werden soll, es einheitliche Zeiten geben wird, die Anrainerparkplätze erhalten bleiben und keine Verteuerung geplant ist. Die Einnahmen aus dem Parkpickerl sollen auch weiterhin für die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs verwendet werden. Und es wurde schon um Verständnis ersucht, dass die neue Parkpickerlregelung auch in den Randgebieten Gültigkeit haben werden. "Bitte schreibens das auch – wenn jetzt schon wegen der Randzonen von einem Aufschrei die Rede ist, dann erwähnen sie auch, dass genau diese Zonen zum Parkplatz von ganz Wien werden, sobald man sie von einer flächendeckenden Parkpickerlregelung ausnehmen würde", meinte etwa Donaustadt-Bezirkschef Ernst Nevrivy.

Auslöser für die gemeinsame Willensbekundung war die kürzliche Ansage des Simmeringer Bezirksvorstehers Thomas Steinhart, aufgrund der unerträglichen Situation im 11. Bezirk das flächendeckende Parkpickerl notfalls auch im Alleingang umzusetzen. Denn das würde unweigerlich zu einem Dominoeffekt führen und unmittelbare Auswirkungen auf den Nachbarbezirk Liesing haben. Schon heute sei es laut Bezirksvorsteher Gerhard Bischof in vielen Gegenden des Bezirks nahezu unmöglich, einen Parkplatz zu finden, viele Pendler würden Liesing als Abstellort für ihren Pkw nutzen. Weitet Simmering aus, bliebe Einpendlern via A4, S1, A3, A2 im Süden Wiens nur noch Liesing zum Gratis-Tages- und Wochenparken.

Fassungslosigkeit in Hietzing

Ähnliche Effekte sind auch für den Nachbarbezirk Hietzing zu erwarten. Auf die Frage, ob hier die ÖVP-Bezirksvorsteherin Silke Kobalt in die Ausweitungspläne eingeweiht sei, meinte Sima, dass er bereits Gespräche gebe. Nachsatz: "Es ist aber evident, dass kein Bezirk der einzige ohne Parkpickerl sein will." Kobald machte allerdings am Nachmittag in einer Aussendung deutlich, dass sie mit den Plänen nicht einverstanden ist und "fassungslos" sei, dass das bestehende Modell nun nicht reformiert und mit einem Landesgesetz "eine ordentliche, rechtliche Basis" dafür geschaffen werde.

In Liesing wurde jedenfalls bereits im April im Verkehrsausschuss erste Einschätzungen zu den Auswirkungen von Simmerings Plänen zur Einführung der Parkraumbewirtschaftung diskutiert. Und auch Floridsdorf und die Donaustadt wollen jetzt die Folgen und Auswirkungen der neuen Entwicklungen untersuchen lassen – was die MA46 innerhalb der kommenden Wochen erledigen soll.

"Die Erfahrung zeigt, dass auch Gebiete, in denen es bislang kein Parkplatz-Problem gegeben hat, nach einer Ausweitung im Umfeld quasi "über Nacht" völlig zugeparkt sind, sowie es einst in Ottakring und aktuell in unregulierten Teilen von Simmering passiert", meinte Sima. Laut Floridsdorfs Bezirksvorsteher Georg Papai trage schon jetzt in manchen Bezirksteilen jedes zweite Auto kein Wiener Kennzeichen.

Tatsächlich kommen zwei Drittel der täglich rund 200.000 Pendler mit dem Pkw nach Wien und parken in den Parkpickerl-freien Bezirken. "Das Wichtigste ist jetzt einmal für die Donaustadt, dass wir die ganzen Nichtwiener hinausbekommen, die bei uns kostenlos parken", erklärte Nevrivy. Und wie er betonte, sei er schon immer für eine einheitliche Lösung gewesen, nur sei man vom ehemaligen grünen Koalitionspartner "immer am Schmäh gehalten worden, indem man gesagt hat, eine wienweite Lösung kann man über ein Landesgesetz lösen, was aber dann doch nicht möglich gewesen ist, weil auf diesem Weg zwar die Gebühren, nicht aber die Parkdauer festgesetzt werden kann." Und nur für die "Gstopftn" wolle er keine Politik machen.

Neos-Klubchefin Bettina Emmerling bezeichnete ihrerseits den nun eingeschlagenen Weg als "Meilenstein auf dem Weg zu unserem Ziel, Wien bis 2040 klimaneutral zu machen".

Scharfe Kritik von den Grünen und der FPÖ

Die Grünen scheinen in diesem Punkt anderer Meinung zu sein, wie sie in einer ersten Reaktion verdeutlichten: "Die präsentierte Parkpickerl-Ausweitung stellt den Klimaschutz aufs Abstellgleis. Es wird lediglich ein 30 Jahre altes Modell fortgesetzt und eine weitere Chance auf eine Ökologisierung der Verkehrspolitik vertan", kritisierten die Mobilitätssprecherinnen Heidi Sequenz und Kilian Stark. Die FPÖ sprach überhaupt von einer "reinen Inkassoaktion der SPÖ, um klaffende Löcher in der Stadtkassa zu füllen." Und die ÖVP bezeichnete den Vorstoß als "fantasielose Abzocke". Es handle sich außerdem um einen "klaren Wortbruch", denn es habe eine Vierparteieneinigung von SPÖ, ÖVP, Grünen und Neos im Juli 2020 gegeben, die eben ein Landesgesetz, ein Zonenmodell sowie klare Lenkungseffekte vorgesehen hätten, sagte Verkehrssprecher Manfred Juraczka.

Die Autofahrerclubs ÖAMTC und Arbö zeigten sich zwar froh über eine Vereinheitlichung, aber wollen sich auf dem Weg vom Zwischenschritt bis zu einer gesamten Reform der Parkraumbewirtschaftung weiterhin aktiv einbringen, wie sie erläuterten.

Der Ruf nach Gesprächen kam auch aus Niederösterreich. Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) erinnerte daran, dass 26 Prozent der Wiener Wirtschaftsleistung "von Pendlerinnen und Pendlern erarbeitet" würden.

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